Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
viel. Ich werde hart bleiben! Er würde die Töchter den Tanz der Speere tanzen lassen, wo immer sie wollten. So sollte es sein. Und ihm war klar, dass er die Namen aller, die starben, in Erfahrung bringen würde, und jeder dieser Namen würde wie eine Messerwunde seine Seele belasten. Ich werde hart sein. Licht, hilf mir, dass ich es kann. Licht, hilf mir doch!
Scheinbar bewegungslos hingen sie in der Schwärze.
Die Plattform hielt an. Es war schwer zu sagen, woran er zuerst merkte, dass sie sich bewegte; er wusste es eben.
Er lenkte einen Strang der Macht, und ein Tor öffnete sich auf die gleiche Art wie zuvor im Palasthof in Cairhien. Der Einfallswinkel des Sonnenscheins hatte sich kaum geändert, doch hier beschien die frühe Morgensonne eine gepflasterte Straße. Vor ihnen zog sich ein Hang empor, dessen Gras und Blumen in der Dürre abgestorben waren und nur noch braune Flecken bildeten. Oben am Hang befand sich eine zwei Spannen hohe oder noch etwas höhere Mauer. Die Steine waren grob behauen und wirkten so wie Natursteine. Über der Mauer waren die goldenen Kuppeln des Königlichen Palastes von Andor zu erkennen, und dazu ein paar dieser beigen, überschlanken Türmchen, von denen die Flagge mit dem Weißen Löwen in der leichten Morgenbrise flatterte. Jenseits der Mauer befand sich der Garten, in dem er Elayne zum ersten Mal gesehen hatte.
Blaue Augen schwebten mit vorwurfsvollem Blick außerhalb des Nichts, eine flüchtige Erinnerung an heimliche Küsse in Tear, die Erinnerung an einen Brief, in dem sie ihm Herz und Seele zu Füßen gelegt hatte, und an Liebesbeteuerungen, die ihm Egwene überbracht hatte. Was würde sie sagen, wenn sie von Aviendha wüsste und von jener gemeinsamen Nacht in der Schneehütte? Erinnerungen an einen anderen Brief, in dem sie ihn zurückstieß wie eine Königin, die einen Schweinehirten ewiger Dunkelheit überantwortete. Es spielte keine Rolle. Lan hatte recht. Und doch wollte er … Was? Wen? Blaue Augen und grüne und dunkelbraune. Elayne, die ihn möglicherweise liebte und möglicherweise auch unentschlossen geblieben war? Aviendha, die ihn damit quälte, dass sie sich nicht berühren ließ? Min, die ihn auslachte und ihn für einen wollköpfigen Narren hielt? All das glitt in diesen Sekunden über die Außenhaut des Nichts. Er bemühte sich, alles zu ignorieren, genau wie die qualvollen Erinnerungen an eine weitere blauäugige Frau, die vor so langer Zeit tot im Flur eines anderen Palastes gelegen hatte.
Er musste stehenbleiben, während die Aiel hinter Bael hervorhuschten, sich verschleierten und nach rechts und links ausschwärmten. Nur seine Gegenwart hielt die Plattform aufrecht. Sie würde verschwinden, sobald er selbst durch das Tor trat. Aviendha wartete beinah genauso gelassen wie Pevin, wenn sie auch gelegentlich den Kopf hinaussteckte, um stirnrunzelnd die Straße in der einen oder anderen Richtung zu beobachten. Asmodean strich über sein Schwert und atmete zu schnell. Rand fragte sich, ob der Mann überhaupt damit umgehen konnte. Nicht, dass er das musste. Mat blickte auf die Mauer, als erinnere er sich an etwas Schlimmes. Er hatte einst den Palast auf eben diesem Weg betreten.
Die letzten verschleierten Aiel gingen vorbei, und Rand bedeutete den anderen, hinauszugehen. Dann folgte er selbst. Das Tor verschwand augenblicklich, als habe es nie existiert, und er stand in einem weiten Kreis wachsamer Töchter des Speers. Aiel liefen die sich windende Straße hinunter – sie passte sich der Krümmung des Hügels an, so wie alle Straßen der Innenstadt an die Landschaft angepasst waren –, und verschwanden um die nächsten Biegungen, um jeden, der sie vielleicht entdeckt hatte und Alarm schlagen würde, gefangenzusetzen. Andere kletterten den Hang empor, und einige waren bereits dabei, die Mauer zu erklimmen, indem sie kleine Vorsprünge und Unebenheiten benützten, um Halt für ihre Finger und Zehen zu finden.
Mit einem Mal riss Rand die Augen auf. Zu seiner Linken verlief die Straße abwärts und verlor sich nach einer Kurve aus seiner Sicht. Der Abhang eröffnete den Blick vorbei an ziegelgedeckten Türmen, die in hundert sich ständig ändernden Farben in der Morgensonne glänzten, über Hausdächer hinweg bis hin zu den zahlreichen Parks der Inneren Stadt. Wenn man sie aus diesem Winkel betrachtete, bildeten die weißen Parkwege und Denkmäler insgesamt die Form eines Löwen. Zur Rechten verlief die Straße ein Stück nach oben, bevor sie hinter dem
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