Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
nicht, wie es am gleichen Ort bei Tag so heiß und bei Nacht so kalt sein konnte. Er steckte eine Hand unter sein Hemd und fühlte nach der halb zugeheilten Narbe an seiner Seite. Diese Wunde, die selbst Moiraine bei all ihrer Kunst nicht heilen konnte, würde ihn eines Tages umbringen. Da war er sicher. Sein Blut auf den Felsen des Shayol Ghul. Das hatten die Prophezeiungen für ihn auf Lager.
Aber heute Nacht nicht. Heute Nacht werde ich nicht daran denken. Ich habe schon noch etwas Zeit. Doch wenn man jetzt die Siegel mit einem Messer absplittern kann, halten sie dann noch lange …? Nein. Heute Nacht nicht.
Unter den Decken wurde es ein wenig wärmer, und er wälzte sich herum, im vergeblichen Versuch, eine bequemere Haltung beim Liegen einzunehmen. Das Lager war einfach zu hart. Ich hätte mich noch waschen sollen, dachte er schläfrig. Egwene befand sich wahrscheinlich jetzt gerade in einem schönen, warmen Dampfzelt und schwitzte. Fast jedes Mal, wenn er eines benutzen wollte, versuchte eine ganze Schar von Töchtern des Speers, mit ihm hineinzugehen. Wenn er darauf bestand, dass sie draußenblieben, kugelten sie sich fast vor Lachen. Und dann war es schlimm genug, wenn er sich erst drinnen im Dampf ausziehen und später wieder anziehen musste.
Schließlich übermannte ihn der Schlaf und damit auch sichere, gut beschützte Träume, sicher vor den Weisen Frauen und wer weiß, wem noch. Allerdings nicht sicher vor seinen eigenen Grübeleien. Ständig tauchten drei Frauen darin auf. Nicht Isendre, obwohl auch sie in einem kurzen Albtraum erschien, der ihn fast aufgeweckt hätte. Nacheinander träumte er von Elayne und Min und Aviendha, nacheinander, aber auch von allen zusammen. Nur Elayne hatte ihn bisher als Mann angesehen, aber alle drei sahen ihn als Person und nicht als das, was er war. Abgesehen von dem Albtraum waren es angenehme Träume.
KAPITEL 5
Bei den weisen Frauen
E gwene stand so dicht wie möglich bei dem kleinen Feuer in der Mitte des Zeltes. Trotzdem zitterte sie vor Kälte, als sie Wasser aus dem großen Teekessel in eine weite, blau gestreifte Schüssel goss. Sie hatte die Seitenwände des Zeltes heruntergelassen, aber dennoch kam die Kälte durch die Schichten bunter Läufer auf dem Boden hindurch, während die ganze Wärme des Feuers zum Rauchabzug in der Mitte des Zeltdaches aufzusteigen schien. Zurück blieb nur der Gestank nach brennendem Kuhmist. Ihre Zähne klapperten.
Selbst der Wasserdampf verflog bereits wieder. Sie griff einen Augenblick lang nach Saidar und lenkte etwas vom Element Feuer in das Wasser, um es weiter zu erhitzen. Amys und Bair hätten sich wahrscheinlich nur mit kaltem Wasser gewaschen, aber dafür genossen sie auch ständig Dampfbäder. Ich bin nicht so abgehärtet wie die beiden. Ich bin auch nicht in der Wüste aufgewachsen. Ich muss ja nicht halb erfrieren und mich dann noch kalt waschen, wenn ich nicht will. Sie empfand aber trotzdem Schuldgefühle, als sie mit einem Stück Lavendelseife, das sie von Hadnan Kadere gekauft hatte, über ihren Waschlappen fuhr. Die Weisen Frauen hatten ihr nie gesagt, sie solle es anders machen, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, sie zu hintergehen.
Als sie die Wahre Quelle wieder losließ, seufzte sie bedauernd. Und dann lachte sie, obwohl sie vor Kälte zitterte, über ihre eigene Torheit. Das herrliche Gefühl, von der Macht gefüllt zu werden, dieser wundervolle Schwall von Leben und Bewusstsein, barg seine eigenen Gefahren. Je mehr von Saidar man an sich zog, desto mehr wollte man noch an sich reißen, und ohne die nötige Selbstdisziplin füllte man sich irgendwann mit mehr Energie, als man ertragen konnte, und dann starb man entweder oder erlebte eine Selbstdämpfung. Und das war ganz gewiss nicht mehr lachhaft.
Das ist einer deiner größten Fehler, hielt sie sich selbst energisch vor. Du willst immer mehr tun, als man von dir erwartet. Du solltest dich mit kaltem Wasser waschen – das lehrt dich Selbstdisziplin. Nur gab es eben so viel zu lernen, und manchmal schien ihr, ein ganzes Leben sei zu kurz dafür. Ihre Lehrerinnen waren auch immer übervorsichtig. Ob es nun Weise Frauen oder die Aes Sedai in der Burg waren: Es war so schwer, sich immer bremsen zu müssen, obwohl sie wusste, dass sie ihnen in vieler Hinsicht bereits überlegen war. Ich kann mehr vollbringen, als ihnen klar ist.
Ein eiskalter Luftstrom traf sie. Der Rauch des Feuers wurde im Zelt umhergewirbelt. Dann sagte eine Frauenstimme: »Wenn
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