Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
den sie von Kadere gekauft hatte – der Händler hatte den kompletten Inhalt seiner Wagen zu sehr günstigen Preisen verkauft, um Platz für Moiraines Fracht zu schaffen –, blickte sie die Frau kurz mit gerunzelter Stirn an. Das war keine korrekte Antwort gewesen. Sie hatte aber gehört, dass manche Gai’shain nach dem Jahr und Tag ihres Dienstes ebenfalls von einer Art der Trostlosigkeit befallen wurden und sich strikt weigerten, ihr Gewand abzulegen. »Wann ist Eure Dienstzeit vorüber?«, fragte sie.
Cowinde duckte sich noch ein wenig mehr, sodass sie fast über ihre Knie gebeugt da hockte. »Ich bin Gai’shain .«
»Aber wann werdet Ihr wieder zu Eurer eigenen Sept in Eure eigene Festung zurückkehren dürfen?«
»Ich bin Gai’shain «, sagte die Frau heiser zu den Läufern, auf die sie hinabblickte. »Wenn Euch die Antwort nicht zufriedenstellt, bestraft mich, aber ich kann Euch keine andere geben.«
»Stellt Euch nicht so an«, sagte Egwene in scharfem Ton. »Und richtet Euch auf. Ihr seid doch keine Kröte.«
Die weiß gekleidete Frau gehorchte augenblicklich und hockte aufgerichtet auf ihren Fersen, wobei sie ergeben auf den nächsten Befehl wartete. Dieses kurze Aufblitzen von Trotz oder Stolz war schon gar nicht mehr wahr.
Egwene atmete tief durch. Die Frau hatte sich offensichtlich auf ihre eigene Weise mit der Trostlosigkeit arrangiert. Es war wohl töricht, aber sie konnte nichts daran ändern. Außerdem erwartete man von ihr, dass sie sich auf dem Weg zum Dampfzelt befand und nicht mit Cowinde schwatzte.
Dann erinnerte sie sich an den kalten Luftzug und zögerte. Der eiskalte Windstoß hatte dazu geführt, dass sich zwei große weiße Blüten in einer flachen Schale mit Wasser zum Teil geschlossen hatten. Sie stammten von einer Pflanze, die hier Segade genannt wurde, einem fleischigen, blattlosen, ledrigen Ding, das vor Dornen starrte. Sie hatte heute morgen Aviendha getroffen, die auf diese Blüten in ihren Händen herabgeblickt hatte. Die Aielfrau war zusammengezuckt, als sie ihrer gewahr wurde, und dann hatte sie Egwene die Blüten in die Hand gedrückt und behauptet, sie habe sie für sie gepflückt. Ihrer Ansicht nach war Aviendha immer noch zu sehr eine Tochter des Speers, um zuzugeben, dass sie Blumen mochte. Obwohl – ja, sie hatte eigentlich schon bemerkt, dass eine Tochter durchaus eine Blüte im Haar oder am Mantel trug.
Du versuchst nur, deinen Abgang hinauszuzögern, Egwene al’Vere. Hör jetzt auf, dich wie ein närrischer Wollkopf zu benehmen. Du bist genauso töricht wie Cowinde. »Geht voraus«, sagte sie und hatte gerade noch genug Zeit, den wollenen Umhang um ihre Nacktheit zu hüllen, bevor die Frau die Zeltklappe für sie aufriss und sie in die kälteklirrende Nacht entließ.
Über ihr standen die Sterne als klar umrissene Lichtpunkte in der Dunkelheit, und der dreiviertelvolle Mond schien hell. Das Lager der Weisen Frauen bestand aus einer Gruppe von zwei Dutzend niedrigen Erhebungen, keine hundert Schritt entfernt vom Ende einer der gepflasterten Straßen Rhuideans. Sie endete dort in hartem, gesprungenem Lehm, mit Steinen durchsetzt. Die vor dem Mondschein flüchtenden Schatten machten aus der Stadt ein Gebirge dräuender Klippen und tiefdunkler Schluchten. Bei jedem Zelt waren die Klappen geschlossen, und die Luft war erfüllt vom Duft der Feuer und siedenden Speisen.
Die anderen Weisen Frauen kamen fast täglich zu Beratungen her, doch sie verbrachten die Nächte bei ihren eigenen Septen. Ein paar schliefen aber tatsächlich mittlerweile in Rhuidean. Bair allerdings nicht. Sie befanden sich jetzt so nah an Rhuidean, wie Bair überhaupt der Stadt kommen wollte. Wenn Rand nicht hiergewesen wäre, hätte sie zweifellos darauf bestanden, ihr Lager in den Bergen aufzuschlagen.
Egwene hielt ihren Umhang mit beiden Händen geschlossen und ging, so schnell sie nur konnte. Eisige Windfinger krochen unter dem Saum des Umhangs hindurch, jedes Mal, wenn ihre nackten Beine einen Spalt darin öffneten. Cowinde musste ihr weißes Gewand beim Gehen um die Knie raffen, um vor ihr zu bleiben. Egwene benötigte die Führung der Gai’shain keineswegs, aber da die Frau ausgesandt worden war, um sie hinzubringen, wäre sie beschämt und wahrscheinlich auch beleidigt, wenn sie ihr das nicht gestattete. So biss sie die Zähne zusammen, um sie am Klappern zu hindern, und wünschte, die Frau würde laufen.
Das Dampfzelt sah aus wie jedes andere, niedrig und breit, die Klappen auf
Weitere Kostenlose Bücher