Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
hat? Sie ist eine Feuchtländer-Schlampe, die nur darauf wartet, dass die Männer ihr zulaufen. Ich habe gesehen, wie er sie angeschaut hat, obwohl er versuchte, es zu verbergen. Ihm hat es recht gut gefallen, sie anzusehen.«
Egwene fragte sich, ob ihre Freundin jemals auch von ihr als einer Feuchtländer-Schlampe dachte. Wahrscheinlich nicht, sonst wären sie keine Freundinnen. Doch Aviendha hatte niemals gelernt, sich zu fragen, ob das, was sie sagte, jemandem weh tun könne. Sie wäre womöglich äußerst überrascht, zu erfahren, dass Egwene auch nur daran dachte, sich durch ihre Bemerkungen verletzt zu fühlen.
»So ausgezogen, wie die Töchter sie herumlaufen lassen«, gab Egwene zögernd zu, »würde jeder Mann hinschauen.« Was sie daran erinnerte, dass auch sie sich gerade ohne jedes Kleidungsstück im Freien befand. Sie stolperte und wäre fast gestürzt, als sie sich ängstlich umsah. Soweit sie erkennen konnte, war die Nacht menschenleer. Selbst die Weisen Frauen waren mittlerweile in ihre Zelte zurückgekehrt. Und lagen kuschlig warm unter ihren Decken. Sie dagegen schwitzte, doch die Tropfen zeigten die Tendenz, gleich bei ihrem Austreten zu Eis zu gefrieren.
»Er gehört Elayne«, sagte Aviendha energisch.
»Ich gebe ja zu, dass ich eure Sitten noch nicht ganz kenne, aber eure sind nicht die gleichen wie bei uns. Er ist nicht mit Elayne verlobt.« Warum nehme ich ihn in Schutz? Er ist derjenige, der verprügelt gehört! Doch die Ehrlichkeit ließ sie fortfahren: »Selbst eure Aielmänner haben das Recht, nein zu sagen, wenn man sie fragt.«
»Du und sie, ihr seid doch Nächstschwestern wie wir beide«, protestierte Aviendha. Sie verlangsamte ihren Schritt etwas, nahm aber dann doch ihr altes Tempo wieder auf. »Hast du mich nicht selbst gebeten, für Elayne auf ihn aufzupassen? Willst du nicht, dass sie ihn bekommt?«
»Natürlich will ich das. Wenn er sie will.« Das stimmte allerdings nicht ganz. Sie wünschte Elayne alles Glück der Welt, und so verliebt, wie sie in den Wiedergeborenen Drachen war, würde sie so ziemlich alles tun, um dafür zu sorgen, dass Elayne bekam, was sie wollte. Fast war sie gewillt, ihn an Armen und Beinen zu fesseln, damit er Elayne nicht fortlaufen konnte. Fast. Wenn es notwendig war? Aber das zuzugeben, war eine ganz andere Sache. Aielfrauen waren da viel offener, als sie es fertigbrachte. »Sonst wäre es nicht recht.«
»Er gehört ihr«, beharrte Aviendha stur.
Egwene seufzte. Aviendha verstand einfach keine anderen Sitten als die ihren. Die Aielfrau war immer noch erstaunt darüber, dass Elayne Rand nicht gefragt hatte, ob er sie heiraten wolle, und dass stattdessen ein Mann diese Frage stellen konnte. »Ich bin sicher, die Weisen Frauen werden morgen der Vernunft wieder zugänglich sein. Sie können dich nicht zwingen, im Zimmer eines Mannes zu schlafen.«
Die andere Frau blickte sie in offen gezeigter Überraschung an. Einen Augenblick lang verschwand die Eleganz ihrer Bewegungen, und sie stieß mit einem Zeh ziemlich hart gegen eine Unebenheit am Boden. Das Missgeschick rief einige Flüche hervor, denen selbst Kaderes Wagenfahrer mit Interesse gelauscht hätten. Bair hätte bestimmt sofort zum Blaurippentee gegriffen. Sie lief jedoch ohne Unterbrechung weiter.
»Ich verstehe nicht, warum du dich darüber so aufregst«, sagte sie, als der letzte Fluch verklungen war. »Ich habe auf Kriegszügen viele Male neben einem Mann geschlafen und selbst mit ihm die Decken geteilt, wenn die Nacht sehr kalt war. Aber wenn es dich so beunruhigt, dann schlafe ich eben zehn Schritt entfernt von ihm. Ist das ein Teil eurer Sitten? Mir ist auch aufgefallen, dass du nicht mit den Männern zusammen im Dampfzelt baden willst. Vertraust du Rand al’Thor nicht? Oder bin ich es, der du nicht vertraust?« Am Ende erklang ihre Stimme nur noch in einem besorgten Flüsterton.
»Natürlich vertraue ich dir«, protestierte Egwene hitzig. »Und ihm. Es ist eben nur so, dass …« Sie ließ den Satz unbeendet, weil sie nicht sicher war, was sie eigentlich weiter sagen sollte. Manchmal waren die Aielregeln in Bezug auf das, was schicklich war und was nicht, sehr viel strenger als die, mit denen sie aufgewachsen war, aber bei anderen dieser Ansichten wieder hätte die Versammlung der Frauen zu Hause vor der Entscheidung gestanden, entweder geschlossen in Ohnmacht zu fallen oder zu einem kräftigen Stock zu greifen. »Aviendha, wenn es irgendwie um deine Ehre gehen sollte …« Sie
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