Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
aber sie lächelte dann entschuldigend zurück und beschleunigte ihren Schritt für kurze Zeit, damit es aussah, als habe sie es eilig, und so vermied sie es, angehalten zu werden und die üblichen Fragen über sich ergehen lassen zu müssen, welche neuen Dinge man in nächster Zeit von ihr erwarten könne. In ihrer augenblicklichen Laune hätte sie ihnen vielleicht ehrlich gesagt, was sie dachte, und das hätte unangenehme Folgen nach sich gezogen. Nichtstun. Sie fragen, was Rand unternehmen werde. Ihr sagen, sie solle sich ihr Haar abschneiden. Pah!
Natürlich lächelten nicht alle. Nicht nur, dass Nisao einfach durch Nynaeve hindurchblickte, nein, Nynaeve musste schnell aus dem Weg springen, um nicht von der Frau überrannt zu werden. Und eine arrogante Aes Sedai mit hellblondem Haar und einem hervorstehenden Kinn, die auf einem großrahmigen Fuchswallach durch die Menge ritt, warf ihr im Vorbeireiten einen ausgesprochen finsteren Blick aus scharfen blauen Augen zu. Nynaeve erkannte sie nicht. Die Frau wirkte wie aus dem Ei gepellt in einem hellgrauen, seidenen Reitkleid, aber der leichte Leinenumhang vor ihr auf dem Sattel sprach dafür, dass sie gerade von einer Reise neu hier eingetroffen war. Was noch für ihre Neuankunft in Salidar sprach, war der schlaksige Behüter in grünem Wams, der auf einem großen, grauen Streitross hinter ihr herritt und recht nervös wirkte. Behüter wirkten niemals nervös, aber Nynaeve dachte sich, es müsse wohl als Ausnahme gelten, wenn man sich soeben einer Rebellion gegen die Weiße Burg anschloss. Licht! Selbst Neuankömmlinge kamen gerade zurecht, um sie noch mehr aufzubringen!
Und dann tauchte noch der narbengesichtige Uno auf, den Kopf bis auf die Skalplocke kahl geschoren und die leere Augenhöhle von einer Klappe verdeckt, auf die ein scheußliches, knallrotes Auge aufgemalt war. Er hielt in seiner offensichtlichen Strafpredigt für einen verlegenen jungen Mann im Schuppenpanzer inne, der die Zügel eines Pferds mit einer an den Sattel geschnallten Lanze hielt, und grinste warm in Nynaeves Richtung. Nun, wenigstens ohne die Augenklappe wäre es ein warmes Grinsen geworden. Nynaeve verzog bloß das Gesicht, und so weitete sich sein Auge erschrocken, und er wandte sich hastig wieder dem Soldaten zu, um seine Standpauke fortzusetzen.
Es lag nicht an Uno oder seiner Augenklappe, dass es ihr sauer aufstieß. Nicht nur. Er hatte sie und Elayne nach Salidar begleitet und ihnen sogar versprochen, er würde Pferde stehlen – ausleihen nannte er das –, falls sie von hier fliehen wollten. Die Chance war allerdings vorüber. Uno trug eine Goldlitze an den Ärmelaufschlägen seines abgetragenen dunklen Rocks, denn er war Offizier und für die Ausbildung der schweren Reiterei in Gareth Brynes Heer verantwortlich. So war er nun gebunden und konnte sich gewiss nicht mehr mit Nynaeve abgeben. Nein, das stimmte auch wieder nicht. Sollte sie ihm mitteilen, dass sie abreisen wolle, würde er innerhalb weniger Stunden Pferde auftreiben und sie würde von einer Eskorte von Shienarern mit Skalplocke begleitet wegreiten. Diese Soldaten hatten Rand die Treue geschworen und befanden sich nur in Salidar, weil sie und Elayne sie hierher mitgebracht hatten. Allerdings würde sie dann zugeben müssen, sich geirrt zu haben, als sie bleiben wollte, und auch zugeben, dass sie ihn angelogen hatte, denn sie hatte ihm immer wieder versichert, sie fühle sich an Ort und Stelle ausgesprochen wohl. Das alles zuzugeben, brachte sie nicht fertig. Unos Hauptgrund, überhaupt hier auszuharren, war seine Fürsorge für sie und Elayne. Er glaubte, auf sie aufpassen zu müssen! Nein, von ihr würde er keine solchen Geständnisse zu hören bekommen!
Überhaupt war der Gedanke daran, Salidar zu verlassen, jetzt erst, durch Uno angeregt, wieder aufgetaucht, und sie grübelte nun angestrengt darüber nach. Wenn nur Thom und Juilin nicht auf Erkundung nach Amadicia ausgezogen wären. Natürlich unternahmen sie die Reise nicht aus purem Spaß daran. In der ersten Zeit, als sie noch geglaubt hatten, die Aes Sedai hier würden tatsächlich etwas unternehmen, hatten sie sich freiwillig bereit erklärt, als Kundschafter herauszufinden, was auf der anderen Seite des Flusses vor sich ging. Sie hatten geplant, bis nach Amador zu ziehen. Nun waren sie schon gut einen Monat weg und würden frühestens in einigen Tagen wieder eintreffen. Natürlich waren sie nicht die einzigen Kundschafter. Man hatte sogar Aes Sedai und
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