Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
konnte, die niemals mit der Macht umgehen konnten, niemals Aes Sedai waren, würden sich eine Menge Aes Sedai wohler in ihrer Haut fühlen.
»Sheriam Sedai hat mir die Erlaubnis erteilt, es zu versuchen«, sagte Nynaeve so energisch sie es einer vollwertigen Schwester gegenüber wagte. Lelaine sah ihr in die Augen, bis sie den Blick senkte. Der Knöchel ihrer Hand, die den Zopf erfasst hielt, färbte sich weiß, bevor sie es fertigbrachte, loszulassen, aber sie bewahrte eine ruhige Miene. Zu versuchen, dem Blick einer Aes Sedai zu widerstehen, war ziemlich idiotisch für eine Aufgenommene.
»Wir benehmen uns alle irgendwann einmal töricht, Kind, doch eine weise Frau lernt, sich auch darin auf wenige Gelegenheiten zu beschränken. Da Ihr offensichtlich mit Frühstücken fertig seid, schlage ich vor, Ihr werdet diesen Krug los und sucht Euch etwas zu arbeiten, bevor Ihr stattdessen die Arme im heißen Wasser habt. Habt Ihr je daran gedacht, Euch das Haar kurz zu schneiden? Spielt keine Rolle. Fort mit Euch.«
Nynaeve knickste, aber die Aes Sedai wandte ihr bereits den Rücken zu, bevor sie den Tiefpunkt erreicht hatte. Vor Lelaines Blick sicher, funkelte sie der Frau hinterher. Ihr Haar schneiden ? Sie hob ihren Zopf an und schüttelte ihn der sich entfernenden Aes Sedai hinterher. Dass sie damit gewartet hatte, bis sie sich sicher fühlte, regte sie selbst auf, aber hätte sie nicht gewartet, wäre sie jetzt ganz bestimmt auf dem Weg zu Moghedien in den Wäschereihof, höchstens mit einer Unterbrechung, um auf dem Weg bei Tiana hereinzuschauen. Sie saß nun schon monatelang untätig hier in Salidar – und wenn man es von der praktischen Seite her betrachtete, waren sie trotz allem, was sie und Elayne aus Moghedien herausgeholt hatten, eben untätig gewesen – mitten unter Aes Sedai, die nichts taten außer reden und warten, während die Welt ohne sie dem Ruin entgegensteuerte, und Lelaine hatte nichts Besseres zu tun, als sie zu fragen, ob sie ihr Haar schneiden werde! Sie hatte die Schwarzen Ajah verfolgt, war in Gefangenschaft gekommen und wieder entflohen, hatte ihrerseits eine der Verlorenen gefangen, na ja gut, das wusste natürlich keine von ihnen, hatte der Panarchin von Tarabon wenigstens vorübergehend wieder zu ihrem Thron verholfen, und nun war alles, was sie hier tat, herumzusitzen und gelegentlich ein Lob einzustreichen für Dinge, die sie aus Moghedien herausgeholt hatten. Ihr Haar schneiden? Da konnte sie sich ja gleich eine Glatze schneiden lassen! Damit würde sie auch nicht mehr erreichen.
Sie erblickte Dagdara Finchey, wie sie durch die Menge schritt, so breit gebaut wie die kräftigsten Männer unter den Passanten und höher aufragend als die meisten, und der Anblick der Gelben mit dem runden Gesicht regte sie ebenfalls auf. Ein Grund dafür, dass sie sich entschlossen hatte, in Salidar zu bleiben, war der, sich von den Gelben unterrichten zu lassen, denn sie verstanden mehr von der Heilkunst als jede andere. Das behauptete jedenfalls jeder. Aber falls eine von ihnen mehr wusste als sie jetzt bereits, dann teilte sie dieses Wissen nicht mit einer bloßen Aufgenommenen. Die Gelben sollten an sich ihrem Wunsch, alles und jeden zu heilen, sogar diejenigen, die einer Dämpfung unterzogen worden waren, am verständnisvollsten gegenüberstehen, aber sie waren die Letzten, die Bereitschaft zeigten, ihr zu helfen. Dagdara hätte sie den ganzen Tag lang Böden schrubben lassen, um ihr diese »törichten Ideen« aus dem Kopf zu treiben, wenn Sheriam nicht eingegriffen hätte, während Nisao Dachen, eine unauffällige Gelbe mit Augen, die so hart dreinblickten, dass man mit ihnen Nägel einschlagen konnte, sich sogar weigerte, mit Nynaeve zu sprechen, solange diese darauf bestand, »die Webart des bestehenden Musters zu ändern«.
Und um dem allen die Krone aufzusetzen, sagte ihr Wettergefühl ganz einwandfrei aus, dass sich seit einer Weile ein Sturm nähere, obwohl der wolkenlose Himmel und die brennende Sonne sie verspotteten.
So knurrte sie in sich hinein, stellte den Tonkrug einfach hinten auf einen vorbeirumpelnden Karren und machte sich auf den Weg durch die Menge. Sie konnte nichts weiter tun, als in Bewegung zu bleiben und geschäftig zu wirken, bis Moghedien fertig war, und das Licht mochte wissen, wie lange das noch dauern werde. Ein vollkommen vergeudeter Vormittag, passend zu den vielen Tagen, die sie hier schon vergeudet hatte.
Viele der Aes Sedai lächelten sie an oder nickten ihr zu,
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