Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Behüter ausgesandt, aber die meisten in Richtung Tarabon, also noch weiter nach Westen. Die Aes Sedai taten eben so, als würden sie tatsächlich etwas unternehmen, und die Verzögerung, bis sie mit ihren Berichten wieder eintrafen, kam ihnen als Ausrede gerade recht. Nynaeve wünschte, sie hätte die beiden Männer nicht ziehen lassen. Hätte sie Nein gesagt, wäre keiner von beiden gegangen.
Thom war ein alter Gaukler, obwohl er früher einmal sehr viel höher gestanden hatte, und Juilin war ein Diebfänger aus Tear, beides kompetente Männer, die wussten, wie sie sich an fremden Orten zu verhalten hatten, und außerdem auch auf viele andere Arten gut zu gebrauchen. Auch sie hatten sie und Elayne nach Salidar geleitet, und keiner hätte es infrage gestellt, sollte sie den Wunsch äußern, von hier wegzugehen. Zweifellos hätten sie hinter ihrem Rücken einiges zu sagen gehabt, aber ins Gesicht hätten sie ihr nichts gesagt, im Gegensatz zu Uno.
Es ärgerte sie, zugeben zu müssen, dass sie die Männer wirklich brauchte, aber sie wusste sich eben nicht so gut zu helfen, wenn es darum ging, ein Pferd zu stehlen. Außerdem würde man es bemerken, sollte sich eine Aufgenommene an den Pferden zu schaffen machen, sowohl in den Stallungen, wie auch in den Koppeln der Kavalleriepferde, und sollte sie einfach das weiße Kleid mit dem Farbsaum ablegen und etwas anderes anziehen, würde irgendjemand es bestimmt noch bemerken, bevor sie sich überhaupt den Pferden nähern konnte. Und sollte sie auch die Flucht bewerkstelligen, würde man sie verfolgen. Geflohene Aufgenommene brachte man genauso wie Novizinnen fast immer zurück und bestrafte sie so, dass sie kein zweites Mal eine Flucht versuchten. Wenn man die Ausbildung zur Aes Sedai in Angriff nahm, war man erst damit fertig, sobald sie es zuließen.
Natürlich war es nicht die Angst vor einer Bestrafung, die sie noch hier festhielt. Was bedeutete es schon, ein oder zweimal den Hintern versohlt zu bekommen, wenn man es mit dem Schicksal verglich, möglicherweise von den Schwarzen Ajah umgebracht zu werden oder sich einem der Verlorenen gegenüberzufinden? Es lag im Grunde nur daran, ob sie auch wirklich gehen wollte. Wohin könnte sie sich beispielsweise wenden? Nach Caemlyn zu Rand? Zu Egwene nach Cairhien? Würde Elayne mitkommen? Sicher, falls sie nach Caemlyn gingen. Entsprang dieser Wunsch nur dem anderen, endlich etwas zu unternehmen? Oder lag es nur an der Furcht, Moghedien könne entlarvt werden? Dagegen wäre die Strafe für das Weglaufen nur ein Klacks! Sie war nicht zu irgendeiner Entscheidung gekommen, als sie um eine Ecke kam und plötzlich vor Elaynes Klasse von Novizinnen stand, die sich auf einem offenen Platz zwischen zwei strohgedeckten Steinhäusern versammelt hatte, wo man die Ruine eines dritten Hauses weggeräumt hatte.
Mehr als zwanzig weiß gekleidete Frauen saßen auf niedrigen Hockern im Halbkreis und sahen zu, wie Elayne mit zweien von ihnen irgendeine Übung vorführte. Das Glühen Saidars umgab alle drei Frauen. Tabiya, ein vielleicht sechzehnjähriges Mädchen mit grünen Augen und vielen Sommersprossen im Gesicht, und Nicola, eine schlanke, schwarzhaarige Frau etwa in Nynaeves Alter, trieben etwas unsicher eine Flamme immer von der einen zur anderen durch die Luft. Sie flackerte und verschwand auch gelegentlich einen Moment lang, wenn die eine zu langsam reagierte und sie nicht rechtzeitig von der anderen übernahm und aufrechterhielt. In ihrer augenblicklichen Laune war Nynaeve in der Lage, die von ihnen gewobenen Stränge ganz deutlich zu erkennen.
Achtzehn Novizinnen hatten sie mitgenommen, als Sheriam und der Rest geflohen waren – Tabiya war eine davon –, aber die meisten in dieser Gruppe waren wie Nicola seither neu rekrutiert worden, nachdem sich die Aes Sedai in Salidar häuslich niedergelassen hatten. Nicola war nicht die einzige Frau, die älter war als bei Novizinnen üblich – das traf für gut die Hälfte der Anwesenden zu. Als Nynaeve und Elayne zur Burg kamen, überprüften die Aes Sedai nur äußerst selten Mädchen, die älter waren als beispielsweise Tabiya. Nynaeve war sowohl ihres Alters wie auch der Tatsache wegen, dass sie eine Wilde war, eine große Ausnahme geblieben. Aber mehr oder weniger aus purer Verzweiflung hatten die Aes Sedai hier ihre Überprüfungen auch auf junge Frauen ausgedehnt, die noch ein oder zwei Jahre älter als Nynaeve waren. Das Ergebnis war, dass es nunmehr in Salidar mehr Novizinnen
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