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Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Sonderbotschaften brachten selten gute Nachrichten. Er erhob sich langsam, denn in letzter Zeit spürte er das Alter in den Knochen, und füllte einen schlichten Silberkelch mit Punsch; doch den ließ er dann auf dem Tisch stehen und öffnete stattdessen eine Mappe aus runenverziertem Leder. Sie enthielt ein einziges Blatt schweren Papiers, zerknittert und teilweise eingerissen, die Zeichnung eines Straßenkünstlers, der mit Farbkreiden zwei Männer dargestellt hatte, die in den Wolken miteinander kämpften. Der eine hatte ein Gesicht aus Feuer, der andere dunkles, rötlich schimmerndes Haar: al’Thor.
    All seine Pläne, den falschen Drachen aufzuhalten, waren fehlgeschlagen, alle Hoffnungen, die Eroberungswelle des Mannes zu verlangsamen, ihn abzulenken, enttäuscht worden. Hatte er zu lange gewartet und al’Thor zu mächtig werden lassen? Falls ja, dann gab es nur einen Weg, den Mann schnell auszuschalten: das Messer im Dunklen, den Pfeil vom Dach … Wie lange konnte er es sich leisten zu warten? Sollte er riskieren, nicht länger zu warten? Überstürzte Eile konnte genauso zur Katastrophe führen wie zu langes Zögern.
    »Mein Lord hat nach mir geschickt?«
    Niall musterte den Mann, der so leise ins Zimmer getreten war. Seinem Aussehen nach schien es fast unmöglich, dass sich Balwer überhaupt bewegen konnte, ohne dass ein trockenes Rascheln von seinem Kommen kündete. Alles an ihm war schmal und verhärmt, der braune Mantel hing ihm von den knochigen Schultern herunter und seine Beine wirkten, als könnten sie unter seinem geringen Gewicht brechen. Er bewegte sich wie ein Vogel, der von Ast zu Ast hüpft. »Glaubt Ihr, das Horn von Valere wird tote Helden zurückrufen, um uns zu retten, Balwer?«
    »Vielleicht, mein Lord«, sagte Balwer und faltete die Hände wichtigtuerisch. »Vielleicht auch nicht. Was mich betrifft, würde ich mich nicht darauf verlassen.«
    Niall nickte. »Und glaubt Ihr auch, Mattin Stepaneos werde sich mir anschließen?«
    »Wiederum: vielleicht. Er wird nicht als Leiche oder als Marionette enden wollen. Sein einziges Ziel ist, sich die Lorbeerkrone zu erhalten, und das Heer, das sich in Tear sammelt, dürfte ihn ganz schön ins Schwitzen bringen.« Balwer lächelte dünn; eigentlich presste er nur die Lippen aufeinander. »Er hat offen darüber gesprochen, auf den Vorschlag meines Lords einzugehen, aber andererseits habe ich gerade erfahren, dass er in Verbindung mit der Weißen Burg steht. Anscheinend hat er sich zu irgendetwas bereit erklärt, doch ich weiß noch nicht, worum es geht.«
    Die ganze Welt wusste, dass Abdel Omerna der Befehlshaber aller Spione der Kinder war. Ein solches Amt hätte natürlich geheim bleiben sollen, aber Stalljungen und Bettler zeigten schon auf der Straße auf ihn, wenn auch heimlich, damit der gefährlichste Mann in Amadicia sie nicht dabei erwischte. In Wahrheit diente dieser Narr Omerna nur zur Ablenkung, ein Dummkopf, der selbst nicht wusste, dass er in Wirklichkeit die Maske war, hinter der sich der wirkliche Meister aller Spione in der Festung des Lichts verbarg: Sebban Balwer, Nialls steifer, ausgetrockneter kleiner Sekretär mit dem missbilligenden Zug um den Mund. Ein Mann, hinter dem niemand so etwas vermuten würde, und selbst wenn man ihn als den eigentlichen Amtsinhaber bezeichnete, würde es niemand glauben.
    Wenn Omerna alles glaubte, so glaubte Balwer nichts. Vielleicht glaubte er noch nicht einmal an Schattenfreunde oder den Dunklen König. Falls Balwer irgendetwas im Sinn hatte, dann war es das Belauschen anderer. Er blickte ihnen vorzugsweise heimlich über die Schultern, lauschte ihrem Geflüster und grub ihre Geheimnisse aus. Natürlich hätte er jedem anderen Herrn genauso treu gedient wie Niall, aber das war auch gut so. Was Balwer erfuhr, war niemals von dem gefärbt, was er für die Wahrheit hielt oder was er sich wünschte. Da er nichts glaubte, war er umso besser imstande, die Wahrheit herauszufinden.
    »Nichts anderes, als was ich aus Illian zu hören erwartete, Balwer, aber selbst er kann auf unsere Seite gebracht werden.« Das war auch notwendig. Es durfte einfach noch nicht zu spät sein. »Gibt es irgendetwas Neues aus den Grenzlanden?«
    »Noch nicht, mein Lord. Aber Davram Bashere befindet sich in Caemlyn. Mit dreißigtausend Mann leichter Reiterei, wie meine Informanten behaupten, aber ich glaube, es sind nicht mehr als halb so viele. Er würde Saldaea nicht zu sehr schwächen, so ruhig es auch gerade in der Fäule

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