Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
zugeht, selbst wenn Tenobia das anordnete.«
Niall knurrte, und der Winkel seines linken Auges zuckte. Er fühlte nach der Zeichnung in der Mappe. Angeblich war es eine recht genaue Darstellung al’Thors. Bashere in Caemlyn; das war ein guter Grund dafür, warum sich Tenobia vor seinem Abgesandten auf dem Lande verbarg.
Es gab keine guten Nachrichten aus den Grenzlanden, was auch Omerna glauben mochte. Die ›kleineren Unruhen‹, von denen Omerna berichtet hatte, waren tatsächlich unbedeutend, aber es drehte sich nicht um Rebellionen, wie der Mann glaubte. Überall an der Grenze der Fäule stritten die Menschen darüber, ob al’Thor nur ein weiterer falscher Drache sei oder der Wiedergeborene Drache selbst. Da die Leute dort nun einmal sehr heftig waren, arteten diese Streitigkeiten gelegentlich in Kämpfe aus, aber nur in einem geringen Umfang. Das hatte in Shienar angefangen, ungefähr zu der Zeit, als der Stein von Tear fiel. Und dies war wohl die Bestätigung dafür, dass die Hexen in diese Sache verwickelt waren. Wie das alles ausgehen würde, konnte Balwer im Moment auch nicht voraussagen.
Dass sich al’Thor nach wie vor auf Caemlyn beschränkte, war eines der wenigen Dinge, in denen Omerna recht hatte. Aber warum blieb er dort, wo er doch Bashere und die Aiel und die Hexen zur Verstärkung hatte? Nicht einmal Balwer hatte ihm diese Frage beantworten können. Doch welchen Grund das auch immer haben mochte, dem Licht sei Dank dafür! Sicher, die Banden des Propheten hatten sich eingeschlichen, um den Norden Amadicias zu plündern, aber sie schienen ihre Eroberungen lediglich halten zu wollen und töteten jeden, der sich weigerte, sich zum Propheten des Drachen zu bekennen. Andere wurden in die Flucht geschlagen. Ailrons Soldaten hatten ihren Rückzug beendet, aber nur, weil der verfluchte Prophet seinen Vormarsch beendet hatte. Alliandre und die anderen, von denen Omerna überzeugt war, sie würden sich Niall anschließen, waren in Wirklichkeit noch unentschlossen und hielten seine Abgesandten mit durchsichtigen Ausreden hin. Er vermutete, sie hätten ebenso wenig Ahnung, was sie tun sollten, wie er selbst.
An der Oberfläche schien sich im Augenblick alles für al’Thor günstig zu entwickeln, abgesehen von dem, was ihn in Caemlyn festhielt, aber Niall war schon immer am gefährlichsten gewesen, wenn er mit dem Rücken zur Wand stand.
Falls man den Gerüchten Glauben schenken konnte, leistete Carridin in Altara und Murandy gute Arbeit, wenn er auch nicht so schnell vorankam, wie es Niall lieb gewesen wäre. Die Zeit war ebenso sein Feind wie al’Thor oder die Weiße Burg. Vielleicht wurde es Zeit, Gerüchte über die ›Drachenverschworenen‹ in Andor zu verbreiten. Möglicherweise auch in Illian. Wenn allerdings das Heer, das sich in Tear sammelte, noch nicht ausreichte, um Mattin Stepaneos auf seine Seite zu bringen, würden Überfälle auf ein paar Bauernhöfe und Dörfer auch nicht viel bewirken. Die Stärke dieses Heeres erschreckte Niall; und sei es auch nur halb so stark wie Balwer berichtete, oder auch nur ein Viertel, würde es ihn immer noch erschrecken. So etwas hatte die Welt seit den Tagen Artur Falkenflügels nicht mehr erlebt. Es konnte auch geschehen, dass ein solches Heer die Menschen nicht dazu brachte, sich aus Angst Niall anzuschließen, sondern stattdessen unter dem Drachenbanner mitzumarschieren. Hätte er nur ein Jahr, ein halbes Jahr mehr Zeit, dann wollte er mit al’Thors gesamtem Heer aus Narren und Schurken und Aielwilden fertig werden.
Natürlich war keineswegs alles verloren. Nichts war jemals verloren, solange man am Leben war. Tarabon und Arad Doman waren für al’Thor und die Hexen genauso wertlos wie für ihn, zwei Schlangengruben, und nur ein Narr würde die Hand dort hineinstecken, bevor sich die Schlangen nicht gegenseitig umgebracht hatten. Falls Saldaea für ihn verloren war, was er im Augenblick noch keineswegs als sicher annahm, dann schwankten Shienar und Arafel und Kandor noch immer, und ein kleiner Stoß konnte sie aus dem Gleichgewicht bringen. Falls Mattin Stepaneos zwei Pferde gleichzeitig reiten wollte, und das hatte ihm immer schon gefallen, musste man ihn eben zwingen, sich für das richtige zu entscheiden. Altara und Murandy würde man schon auf die richtige Seite schubsen, während Andor sich ohnehin gegen seine Hand zur Wehr setzen würde, ob er nun der Meinung war, es sei am besten, ihnen Carridins Peitsche zu spüren zu geben, oder nicht. In
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