Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
man versuchte, mehr als nur die Vorgänge an der Oberfläche bei den Atha’an Miere herauszufinden, war das, als wolle man von der Gilde der Feuerwerker erfahren, wie man Feuerwerkskörper anfertigt. Vergebliche Liebesmüh. Wenigstens würden die Ogier irgendwann bekannt machen, was sie auf ihren Zusammenkünften beschlossen hatten.
»Fahrt fort.«
»Die weniger wichtige Neuigkeit ist dafür … eigenartig, mein Lord. Es gibt verlässliche Berichte, dass al’Thor in Caemlyn, in Tear und in Cairhien gesehen wurde, manchmal sogar am gleichen Tag.«
»Verlässlich? Verlässlicher Wahnsinn! Die Hexen verfügen wahrscheinlich über zwei oder drei Männer, die wie al’Thor aussehen, jedenfalls ähnlich genug, um jeden zu täuschen, der ihn nicht kennt. Das würde eine Menge erklären.«
»Vielleicht, mein Lord. Aber meine Informanten sind verlässlich.«
Niall klappte die Ledermappe zu und verbarg auf diese Weise al’Thors Gesicht. »Und die interessanteste Neuigkeit?«
»Sie stammt aus zwei Quellen in Altara – zuverlässigen Quellen, mein Lord –, und sie besagt, dass die Hexen in Salidar behaupten, die Roten Ajah hätten Logain dazu gebracht, den falschen Drachen zu spielen. Sie hätten ihn beinahe selbst erschaffen. Sie haben Logain in Salidar – oder einen Mann, von dem sie behaupten, er sei Logain – und führen ihn Adligen vor, die sie dorthin bringen. Ich habe keinen Beweis, aber ich vermute, sie erzählen allen Herrschern, mit denen sie Verbindung aufnehmen, die gleiche Geschichte.«
Mit gerunzelter Stirn betrachtete Niall die Flaggen in den Nischen des Raums. Es waren die Banner von Feinden aus beinahe jedem Land. Niemand hatte ihn je zum zweiten Mal besiegt und nur wenige überhaupt einmal. Jetzt waren die Flaggen alle gezeichnet vom Alter. Wie er. Doch er war noch nicht zu alt, um nicht dafür zu sorgen, dass zu Ende geführt wurde, was er begonnen hatte. Jede Flagge war in einer blutigen Schlacht errungen worden, wo man nie wusste, was außerhalb des eigenen Sichtbereichs geschah, wo der sichere Sieg genauso kurzlebig sein konnte wie die Niederlage. Die schlimmste Schlacht, die er je ausgefochten hatte – als die Heere mitten in der Nacht in der Nähe von Moisen aneinandergeraten waren, während der Zeit der ›Unruhen‹ –, war klar wie ein schöner Sommertag verlaufen, wenn man sie mit der verglich, in der er sich jetzt befand.
Hatte er sich geirrt? War die Burg wirklich auseinandergebrochen? Irgendeine Auseinandersetzung zwischen den Ajahs? Ging es um Al’Thor? Wenn die Hexen untereinander um die Vorherrschaft kämpften, würden viele der Kinder des Lichts Carridins Lösung unterstützen, nämlich in Salidar zuzuschlagen und so viele Hexen wie möglich zu vernichten. Männer, die sich einbildeten, wenn sie an morgen dachten, dann dächten sie voraus, aber an die nächste Woche oder den nächsten Monat oder gar das nächste Jahr dachten sie nicht. Valda beispielsweise. Vielleicht war es ganz gut, dass er Amador noch nicht erreicht hatte. Und zum anderen Rhadam Asunawa, der Hochinquisitor der Zweifler. Valda wollte immer gleich mit der Axt dreinschlagen, auch wenn ein Dolch für die zu erledigende Aufgabe besser geeignet war. Asunawa hätte am liebsten gesehen, dass man jede Frau schon vorgestern aufgehängt hätte, die auch nur eine Nacht in der Weißen Burg verbrachte. Jedes Buch, in dem die Aes Sedai oder die Eine Macht erwähnt wurde, sollte verbrannt werden. Selbst diese Bezeichnungen wollte er verbieten lassen. Asunawa dachte nie an etwas anderes als diese Ziele, und es war ihm einerlei, welchen Preis ihr Erreichen fordern würde. Niall hatte zu hart gearbeitet, zu viel aufs Spiel gesetzt, um zu gestatten, dass dies in den Augen der Welt zu einer reinen Auseinandersetzung zwischen den Kindern und der Burg wurde.
In Wirklichkeit spielte es keine Rolle, ob er sich irrte oder nicht. Und wenn er sich irrte, konnte das sogar zu einem Vorteil gereichen. Vielleicht war es sogar besser, als jetzt recht zu haben. Mit ein bisschen Glück mochte es sein, dass er der Weißen Burg unheilbaren Schaden zufügte und die Hexen so gegeneinander aufbrachte, dass man sie anschließend leicht zu Staub zermalmen konnte. Dann würde auch al’Thor ins Wanken kommen, wobei er aber immer noch als Bedrohung galt und man ihn so zum Köder machen konnte. Und er konnte sich eng an die Wahrheit halten. Ziemlich eng jedenfalls.
Ohne den Blick von den Flaggen zu wenden, sagte er: »Die Spaltung in der Burg ist
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