Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
begrüßen, wenn Ihr alle bei mir bleiben würdet. Dann können wir gemeinsam suchen.«
»Selbstverständlich«, sagte Haman. »Ich weiß wirklich nicht, wie ich Euch mehr Schutz bieten könnte als Ihr selbst, aber ich stehe zu Eurer Verfügung.« Covril und Erith nickten zustimmend. Rand hatte keine Ahnung, was Haman damit sagen wollte, aber es schien ihm der falsche Zeitpunkt, um Fragen zu stellen, nachdem sich die drei offensichtlich entschlossen hatten, ihn beschützen zu wollen. Er hegte keinen Zweifel daran, dass er alle drei beschützen konnte, solange sie sich nahe bei ihm befanden.
»Solange Ihr Euren eigenen Weg geht, Rand al’Thor.« Die Tochter mit den grünen Augen war tatsächlich Jalani, und sie klang erfreut darüber, dass sie nicht nur herumstehen und warten musste. Rand hoffte, wenigstens den anderen einen besseren Eindruck vermittelt zu haben, was sie an diesem Ort erwartete.
Von Beginn an war es eine deprimierende Suche. Sie gingen unter den Blicken unsichtbarer Beobachter eine Straße nach der anderen entlang, kletterten über Schutthaufen und schrien abwechselnd: »Liah! Liah!« Covrils Ruf ließ die schief ragenden Wände knarren, und bei Hamans Schrei ächzten sie unheilkündend. Keine Antwort. Die einzigen Geräusche, die sie wahrnahmen, waren die Rufe der anderen Suchtrupps, die in den Straßen ein hohles und spottendes Echo warfen: Liah! Liah!
Die Sonne befand sich schon fast senkrecht über ihren Köpfen, als Jalani sagte: »Ich glaube nicht, dass sie so weit gekommen sein kann, Rand al’Thor. Es sei denn, sie wollte vor uns wegrennen, und das würde sie nicht tun.«
Rand war gerade dabei, in die Schatten unter mächtigen Säulen zu spähen, die über breiten Steinstufen emporragten, um in einen großen Saal blicken zu können. Soweit er erkennen konnte, befand sich da darin nichts außer Staub. Keine Fußspuren. Die unsichtbaren Beobachter hatten sich weit in den Hintergrund zurückgezogen. Sie waren nicht ganz verschwunden, aber fast. So wandte er sich wieder Jalani zu. »Wir müssen sie finden. Vielleicht ist sie …« Er wusste nicht weiter. »Ich werde sie nicht hier zurücklassen, Jalani.«
Die Sonne wanderte höher und begann ihren Abstieg. Rand stand auf etwas, das wohl einst ein Palast gewesen sein mochte, oder ein ganzer Gebäudeblock. Jetzt war es ein Hügel und im Laufe der Jahre so verwittert, dass nur eine Anzahl zerbröckelter Backsteine und Bruchstücke behauenen Natursteins, die aus der trockenen Erde herausragten, davon kündeten, was hier einst gestanden hatte. »Liah!«, rief er durch den Trichter seiner Hände. »Liah!«
»Rand al’Thor«, rief eine Tochter des Speers von der Straße herauf, und als sie ihren Schleier sinken ließ, erkannte er Sulin. Sie und eine andere, noch immer verschleierte Tochter standen bei Jalani und den Ogiern. »Kommt herunter.«
Er kletterte inmitten einer Staubwolke herab. Steinchen, Bruchstücke des Baumaterials von einst, folgten ihm als Lawine, und dieser Schutt rutschte so schnell ab, dass er zweimal fast gestürzt wäre. »Habt Ihr sie gefunden?«
Sulin schüttelte den Kopf. »Wir hätten sie bestimmt mittlerweile gefunden, wäre sie noch am Leben. Sie wäre von allein nicht weit weggelaufen. Falls sie jemand verschleppt haben sollte, hätte sie sich widersetzt, und falls sie schwer verwundet wurde und unsere Rufe nicht beantworten konnte, dann wäre sie meiner Meinung nach jetzt sicher auch tot.« Haman seufzte traurig. Die langen Augenbrauen der Ogierfrauen senkten sich auf ihre Wangenknochen. Aus irgendeinem Grund galten ihre traurigen, mitleidigen Blicke Rand.
»Sucht weiter«, sagte er.
»Dürfen wir in den Gebäuden suchen? Es gibt so viele Räume, die wir von außen nicht einsehen können.«
Rand zögerte. Es war noch nicht einmal Spätnachmittag, aber er spürte die unsichtbaren Augen auf sich ruhen. So stark waren sie beim ersten Mal, als er hierhergekommen war, erst bei Sonnenuntergang fühlbar gewesen. In Shadar Logoth war man in den Schatten nicht sicher. »Nein. Aber wir suchen weiter.«
Er wusste nicht genau, wie lange er noch rufend die Straßen hinauf- und hinunterschritt, aber nach einer Weile traten Urien und Sulin in seinen Weg. Beide hatten die Schleier abgelegt. Die Sonne ruhte auf den Baumwipfeln im Westen – ein blutroter Ball an einem wolkenlosen Himmel. Die Schatten erstreckten sich lang über die Ruinen.
»Ich werde suchen, solange Ihr wollt«, sagte Urien, »aber mit Rufen und Umschauen
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