Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
erklangen überall, aber die Straße war bereits auf gut fünfzig Schritt in jede Richtung geräumt. Schreie drangen von der mahlenden Menschenmasse heran, die zu entkommen suchte. Die Straße war bis auf die Toten geräumt: Desora und sechs andere, drei davon Aiel. Noch eine Tochter des Speers, dachte er. Man konnte es aus der Entfernung schwer sagen, wenn jemand wie ein Haufen Lumpen zusammengekauert dalag.
Rand regte sich, und die Aiel um ihn herum drängten sich noch enger zusammen, eine menschliche Mauer. »Orte wie dieser sind stets übervölkert«, sagte Nandera gesprächig, während sie ihren Blick über den Schleier hinweg weiterhin unablässig wandern ließ. »Wenn man sich dort hineinbegibt, kann man eine Klinge im Rücken haben, bevor man erkennt, dass Gefahr besteht.«
Caldin nickte. »Das erinnert mich an eine Zeit in der Nähe von Sedar Cut, als … Wir haben zumindest einen Gefangenen.« Einige seiner Hama N’dore waren aus einer Schenke auf der anderen Straßenseite aufgetaucht und stießen einen Mann vor sich her, dessen Arme auf dem Rücken gefesselt waren. Er kämpfte beständig gegen sie an, bis sie ihn auf die Knie stießen und Speerspitzen an seine Kehle legten. »Vielleicht wird er uns erzählen, wer dies befohlen hat.« Caldin klang, als hege er nicht die geringsten Zweifel.
Kurz darauf kamen aus einem anderen Gebäude Töchter des Speers mit einem weiteren Mann, der hinkte und dessen Gesicht blutverschmiert war. Sehr bald knieten vier Männer unter Aielbewachung auf der Straße. Schließlich löste sich der Halbkreis um Rand auf.
Die vier waren alle hartgesichtige Männer, obwohl der Bursche mit dem blutverschmierten Gesicht schwankte und die Aiel augenrollend ansah. Zwei weitere zeigten mürrischen Trotz und der vierte Hohn.
Rands Hände zuckten. »Seid Ihr sicher, dass sie daran beteiligt waren?« Er konnte nicht glauben, wie sanft und ruhig seine Stimme klang. Ein Scheiterhaufen würde alles lösen. Kein Scheiterhaufen, fauchte Lews Therin ihn an. Niemals wieder.
»Sie waren beteiligt«, sagte eine Tochter des Speers. Er konnte hinter ihrem Schleier nicht erkennen, wer sie war. »Diejenigen, die wir getötet haben, trugen alle dies.« Sie zog hinter den gefesselten Armen des blutüberströmten Mannes einen Umhang hervor. Ein fadenscheiniger weißer Umhang, schmutzig und fleckig und mit einer aufgestickten, goldenen Sonnenscheibe. Auch die anderen drei besaßen solche Umhänge.
»Sie waren auf Beobachtungsposten«, fügte ein breitschultriger Bergtänzer hinzu, »und sollten berichten, ob der Angriff für die anderen schlecht ausging.« Er lachte spöttisch. »Wer auch immer sie gesandt hat, ahnte nicht, wie schlecht es ausgehen würde.«
»Keiner dieser Männer hat eine Armbrust abgeschossen?«, fragte Rand. Scheiterhaufen. Nein, schrie Lews Therin in der Ferne. Die Aiel wechselten Blicke und schüttelten die Shoufa -umwickelten Köpfe. »Hängt sie«, sagte Rand. Der Mann mit dem blutbeschmierten Gesicht brach fast zusammen. Rand ergriff ihn mit Luftsträngen und zog ihn hoch. Erst jetzt erkannte er, dass er Zugriff auf Saidin genommen hatte. Er hieß den Kampf ums Überleben willkommen; er hieß sogar den Makel willkommen, der wie beißender Schleim ihn ihm waberte. Er bewirkte, dass er sich der Dinge, an die er sich lieber nicht erinnern wollte, Gefühle, die er lieber nicht empfinden wollte, weniger bewusst war. »Wie heißt Ihr?«
»F-Faral, m-mein Herr, D-Dimir Faral.« Die Augen fielen ihm fast aus dem Kopf, als er Rand durch die Blutmaske ansah. »B-Bitte hängt mich nicht, Herr. Ich werde im Licht w-wandeln, ich sch-schwöre es!«
»Ihr seid ein sehr glücklicher Mann, Dimir Faral.« Seine Stimme klang Rand jetzt so fern in den Ohren wie Lews Therins Schreie. »Ihr werdet zusehen, wie Eure Freunde gehängt werden.« Faral begann zu weinen. »Dann werdet Ihr ein Pferd erhalten, zu Pedron Niall reiten und ihm sagen, dass ich eines Tages ihn für das hängen werde, was hier geschehen ist.« Als er die Luftstränge auflöste, sank Faral zusammen und beschwor stöhnend, dass er auf schnellstem Weg nach Amador reiten würde. Die drei Männer, die sterben sollten, betrachteten den schluchzenden Mann verächtlich. Einer von ihnen spie ihn sogar an.
Rand verbannte sie aus seinem Geist. Er musste nur Niall in Erinnerung behalten. Aber er musste auch noch etwas anderes tun. Er ließ Saidin fahren, unterzog sich dem Kampf, ihm zu entkommen, ohne vernichtet zu werden, und dem
Weitere Kostenlose Bücher