Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
geschickt.«
»Eiligst?« Marics Kichern ließ weder sein Gesicht noch seine Augen freundlicher wirken. »Anscheinend eher im Kriechgang.« Er bezog wieder Posten.
Egwene musste nicht fragen, was er meinte. Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Gürteltasche und wischte sich hastig übers Gesicht. Niemand konnte einen ernst nehmen, wenn man staubig war, und Rand musste zuhören. »Aber es geht wirklich um eine wichtige Nachricht, Somara. Ich hoffe, er ist allein. Die Aes Sedai sind noch nicht gekommen?« Das Taschentuch war grau geworden, und sie steckte es seufzend wieder ein.
Somara schüttelte den Kopf. »Es dauert noch einige Zeit, bis sie kommen sollen. Werdet Ihr ihm sagen, dass er vorsichtig sein soll? Ich will gegenüber Euren Schwestern nicht respektlos sein, aber er wird nicht achtgeben. Er ist eigensinnig.«
»Ich werde es ihm sagen.« Egwene konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Sie hatte Somara schon früher so reden hören – mit der Art übertriebenem Stolz, den eine Mutter vielleicht für einen zu abenteuerlustigen zehnjährigen Jungen empfand – und auch einige andere Töchter des Speers. Es musste eine Art Aielscherz sein, und obwohl sie ihn nicht verstand, war ihr doch alles recht, was ihn davon abhielt, zu übermütig zu werden. »Ich werde ihm auch sagen, dass er sich die Ohren waschen soll.« Somara nickte sogar noch, bevor sie sich wieder fing. Egwene atmete tief durch. »Somara, meine Schwestern brauchen nicht zu erfahren, dass ich hier bin.« Maric sah sie neugierig an, wenn er nicht gerade jeden Diener beobachtete, der den Gang betrat. Sie musste vorsichtig sein. »Wir stehen uns nicht nahe, Somara. Man könnte in Wahrheit sagen, dass wir so weit auseinander sind, wie Schwestern nur sein können.«
»Die schlechteste Beziehung herrscht zwischen Erstschwestern«, sagte Somara nickend. »Geht hinein. Sie werden Euren Namen nicht von mir hören, und wenn Maric plaudert, werde ich ihm einen Knoten in die Zunge binden.« Maric, der mindestens doppelt so groß und schwer wie Somara war, lächelte, ohne sie anzusehen.
Die Angewohnheit der Töchter des Speers, sie hineinzuschicken, ohne sie anzumelden, hatte sie in der Vergangenheit in Verlegenheit gebracht, aber dieses Mal saß Rand nicht in der Badewanne. Die Räume hatten offensichtlich dem König gehört, und der Vorraum war eher ein Miniatur-Thronsaal, natürlich nur im Vergleich zum eigentlichen Thronsaal. Die wogenden Strahlen einer goldenen Sonne, eine ganze Spanne im Durchmesser, die in den glatten Steinboden eingelassen waren, waren die einzigen sichtbaren Rundungen. Hohe Spiegel in schlichten Rahmen säumten die Wände unter breiten, geraden Goldstreifen, und der tiefe Sims war aus goldenen Dreiecken gefertigt, die sich wie Schuppen überlappten. Schwere, goldverzierte Stühle zu beiden Seiten der aufgehenden Sonne bildeten sich gegenüberliegende Linien, die so starr wie ihre hohen Rückenlehnen wirkten. Rand saß auf einem vergoldeten Stuhl, dessen Rückenlehne doppelt so hoch war und der auf einem kleinen Podest stand, das ebenfalls goldverziert war. Er saß in einem goldbestickten Seidenumhang da, hielt die geschnitzte Seanchaner-Speerspitze in der Armbeuge und runzelte finster die Stirn. Er wirkte wie ein König, genauer gesagt, wie ein König, der einen Mord zu begehen gedenkt.
Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. »Somara sagt, du solltest dir die Ohren waschen, junger Mann«, sagte sie, und sein Kopf fuhr hoch.
Überraschung und eine Spur von Zorn wichen schnell. Er trat grinsend vom Podest herab und warf die Speerspitze auf den Sessel. »Was, unter dem Licht, hast du getan?« Er durchschritt den Raum, nahm sie bei den Schultern und wandte ihr Gesicht dem nächstgelegenen Spiegel zu.
Sie zuckte ungewollt zusammen. Sie bot einen schönen Anblick. Der Staub war durch ihr Tuch gedrungen – nein; Schmutz, der sich mit Schweiß verbunden hatte – und hatte Striemen auf ihren Wangen und Flecken auf ihrer Stirn hinterlassen, wo sie ihn fortzureiben versucht hatte.
»Ich werde Somara nach ein wenig Wasser schicken«, sagte er trocken. »Vielleicht wird sie denken, es sei für meine Ohren gedacht.« Dieses Grinsen war unerträglich!
»Das ist nicht nötig«, belehrte sie ihn mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte. Sie wollte nicht, dass er dabei zusah, wie sie sich wusch. Sie zog ihr bereits angeschmutztes Taschentuch hervor und versuchte hastig, den schlimmsten Schmutz zu beseitigen. »Du triffst bald Coiren und die
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