Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
kleinen, mit Elfenbeineinlegearbeiten versehenen Tisch legte, der erheblich weniger Gold aufwies als die Tische im Sonnenpalast. Das galt für alle Möbel – weniger Gold, aber mehr Schnitzerei, zumeist Löwen oder Rosen. Ein großer, mit Goldfäden durchwirkter roter Teppich bedeckte den Boden.
Er bezweifelte, dass er die leisen Schritte der Töchter des Speers gehört hätte, wenn er nicht Saidin in sich gehabt hätte, aber bevor sie den Vorraum durchquerten, kam Aviendha aus dem dunklen Schlafzimmer, das Haar in wilder Unordnung und ihr Gürtelmesser in der Hand. Und sie trug nichts auf ihrer Haut. Als sie ihn sah, wurde sie steif wie ein Pfosten und stolzierte dorthin zurück, woher sie gekommen war, wenn sie auch beinahe gelaufen wäre. Schwaches Lampenlicht fiel durch den Eingang. Nandera lachte leise und wechselte amüsierte Blicke mit Jalani.
»Ich werde die Aiel niemals verstehen«, murmelte Rand. Es war weniger die Tatsache, dass die Töchter des Speers die Situation lustig fanden – er hatte es schon lange aufgegeben, den Aielhumor verstehen zu wollen. Es war Aviendha. Sie hielt es vielleicht für sehr lustig, sich vor ihm fürs Bett auszuziehen, aber wenn er auch nur einen Blick auf ihre Knöchel erhaschte, wenn sie sie nicht zeigen wollte, wurde sie zu einer fauchenden Katze. Ganz davon zu schweigen, dass sie ihm dann die Schuld dafür gab.
Nandera frohlockte. »Es sind nicht die Aiel, die du nicht verstehen kannst, sondern die Frauen. Kein Mann hat die Frauen jemals verstanden.«
»Aber andererseits sind Männer sehr leicht zu verstehen«, warf Jalani ein, deren Wangen noch den Babyspeck zeigten, und errötete leicht. Nandera erweckte den Eindruck, als wollte sie gleich laut auflachen.
Tod, flüsterte Lews Therin.
Rand vergaß alles andere. Tod? Was meinst du damit?
Der Tod kommt.
Welche Art von Tod?, fragte Rand. Wovon sprichst du?
Wer bist du? Wo bin ich?
Rand fühlte sich, als hätte ihm eine Faust die Kehle zugedrückt. Er war sich sicher gewesen, aber … Dies war das erste Mal, dass Lews Therin etwas zu ihm gesagt hatte, etwas, was eindeutig an ihn gerichtet war. Ich bin Rand al’Thor, und du befindest dich in meinem Kopf.
In …? Nein! Ich bin ich selbst! Ich bin Lews Therin Telamon! Ich bin iiiiich! Der Schrei verklang in der Ferne.
Komm zurück, rief Rand. Welcher Tod? Antworte mir, verdammter Kerl! Schweigen. Er regte sich unbehaglich. Es zu wissen, war eine Sache, aber ein Toter in ihm, der vom Tod sprach, ließ ihn sich unrein fühlen, wie ein leiser Hauch des Makels auf Saidin .
Etwas berührte ihn am Arm, und er hätte beinahe die Quelle ergriffen, bevor er erkannte, dass es Aviendha war. Sie musste regelrecht in ihre Kleider geströmt sein, und doch wirkte sie, als hätte sie eine Stunde gebraucht, um jedes Haar an seinen Platz zu rücken. Die Leute sagten, Aiel zeigten keine Gefühle, aber sie waren einfach nur zurückhaltender als die meisten anderen. Ihre Gesichter sagten genauso viel aus wie die Gesichter anderer, wenn man wusste, wonach man zu suchen hatte. Aviendha war hin- und hergerissen zwischen Sorge und Wut.
»Geht es dir gut?«, fragte sie.
»Ich habe nur nachgedacht«, belehrte er sie. Das war nur zu wahr. Antworte mir, Lews Therin! Komm zurück und antworte mir! Warum hatte er jemals geglaubt, Schweigen wäre an diesem Morgen angemessen?
Unglücklicherweise glaubte ihm Aviendha, und wenn es nichts gab, worüber man sich Sorgen machen musste … Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. Das verstand er bei Frauen, egal ob Aiel oder Frauen der Zwei Flüsse oder wem auch immer: Die in die Hüften gestemmten Fäuste bedeuteten Ärger. Er hätte sich nicht die Mühe zu machen brauchen, die Lampen anzuzünden. Ihr Blick war heiß genug, den Raum zu beleuchten. »Du bist wieder ohne mich fortgegangen. Ich habe den Weisen Frauen versprochen, in deiner Nähe zu bleiben, bis ich gehen muss, aber du hast mein Versprechen zunichtegemacht. Du hast mir dafür Toh auferlegt, Rand al’Thor. Nandera, von jetzt an muss ich erfahren, wann er wohin geht. Er darf nicht ohne mich aufbrechen, wenn ich ihn begleiten sollte.«
Nandera zögerte keinen Moment, bevor sie nickte. »Wie du wünschst, Aviendha.«
Rand pflanzte sich vor beiden Frauen auf. »Nein, wartet! Niemand erfährt, wann ich komme und gehe, es sei denn, ich sage es.«
»Ich habe mein Wort gegeben, Rand al’Thor«, sagte Nandera mit tonloser Stimme. Sie sah ihm unnachgiebig in die Augen.
»Und ich ebenfalls«,
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