Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
genug, weil sie wissen, dass sich die Schule irgendwo in der Nähe der Stadt befindet, ohne auch noch fürchten zu müssen, dass Taim oder einer der Schüler auftauchen könnte. Ich glaube, es wäre am besten, wenn wir über alles heute Morgen Geschehene Stillschweigen bewahrten. Wir können die Leiche nicht geheim halten, aber Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr nichts anderes erzählt, als dass mich ein Mann töten wollte und darum sterben musste. Mehr werde ich niemandem sagen, und es wäre mir verhasst, wenn Ihr mich zum Lügner stempeln würdet.«
Die Dankbarkeit auf ihren Gesichtern war bemerkenswert. »Ich habe Toh «, murmelten sie fast gleichzeitig.
Rand räusperte sich heftig. Das hatte er nicht erreichen wollen, aber er hatte zumindest ihr Gewissen erleichtert. Plötzlich kam ihm eine Idee, wie er mit Sulin zurechtkommen könnte. Es würde ihr nicht gefallen, aber es würde bedeuten, dass sie sich ihrem Toh immer noch stellen könnte – vielleicht sogar noch besser, weil es ihr nicht gefallen würde. Außerdem würde es sein Gewissen erleichtern, und er könnte zumindest einem Teil seines Toh ihr gegenüber entgegentreten.
»Nehmt jetzt wieder eure Wachposten ein, sonst muss ich glauben, dass Ihr meine Augenbrauen betrachten wolltet.« Das hatte Nandera gesagt. Aviendha war von seinen Augenbrauen entzückt? »Geht schon. Und sucht jemanden, der diesen Burschen fortbringt.« Sie verließen den Raum lächelnd und eifrig in der Zeichensprache gestikulierend, und er blieb stehen und nahm Aviendha beim Arm. »Du sagtest, wir müssten miteinander reden. Komm mit ins Schlafzimmer, bis dieser Raum gesäubert ist.« Wenn ein Makel bestand, konnte er ihn vielleicht durch das Lenken der Macht vertreiben.
Aviendha riss sich los. »Nein! Nicht dorthin!« Sie atmete tief durch und mäßigte dann ihre Stimme, aber sie wirkte noch immer misstrauisch und reichlich verärgert. »Warum können wir nicht hier miteinander reden?« Es sprach nichts dagegen, außer dem toten Mann auf dem Boden, aber das zählte bei ihr nicht. Sie drängte Rand fast gewaltsam wieder in seinen Sessel, betrachtete ihn dann und atmete erneut tief durch.
» Ji’e’toh ist das Herz der Aiel. Wir sind Ji’e’toh . Heute Morgen hast du mich bis auf die Knochen beschämt.« Sie verschränkte die Arme unter ihren Brüsten, sah ihm offen in die Augen, belehrte ihn über sein Unwissen und das Unvermögen, es zu verbergen, bis sie die Sache richtiggestellt hatte, und fuhr dann damit fort, dass man Toh um jeden Preis gegenübertreten müsse. Das dauerte einige Zeit.
Er war sich sicher, dass sie nicht das gemeint hatte, als sie gesagt hatte, sie wollte mit ihm reden, aber er genoss es verwunderlicherweise, ihr in die Augen zu sehen. Er genoss es. Nach und nach ließ er von dem Genuss ab, den ihre Augen ihm verschafften, und vertrieb ihn, bis nur noch ein dumpfer Schmerz übrig blieb.
Er glaubte, es geheim gehalten zu haben, aber sein Gesichtsausdruck musste sich verändert haben. Aviendha brach langsam ab, stand da und sah ihn nur noch schwer atmend an. Dann wandte sie ihren Blick sichtbar mühsam ab. »Zumindest verstehst du jetzt«, murmelte sie. »Ich muss … ich brauche … solange du verstehst.« Sie raffte ihre Röcke, fegte durch den Raum – die Leiche hätte genauso gut ein Strauch sein können, dem sie ausweichen musste – und lief hinaus.
Sie ließ ihn in einem aus irgendeinem Grund trüberen Raum zurück, allein mit einem Toten. Das passte nur zu gut. Als Gai’shain kamen, um den Grauen Mann fortzuschaffen, fanden sie Rand leise lachend vor.
Padan Fain saß da, die Füße auf ein Fußpolster gelegt, und betrachtete die Schönheit des neu aufbrechenden Sonnenlichts, das auf der gebogenen Klinge des Dolches, den er in den Händen hin und her wandte, schimmerte. Es genügte ihm nicht, ihn am Gürtel zu tragen. Er musste ihn hin und wieder einfach in die Hand nehmen. Der große, in den Knauf eingelassene Rubin schimmerte zutiefst feindselig. Der Dolch war ein Teil von ihm oder er ein Teil des Dolches. Der Dolch war ein Teil des Aridhol, das die Menschen Shadar Logoth nannten, aber andererseits war auch er ein Teil des Aridhol. Oder es war ein Teil von ihm. Er war ziemlich verrückt, und er wusste es sehr genau, aber es kümmerte ihn nicht, verrückt zu sein. Sonnenlicht schimmerte auf Stahl, jetzt tödlicherem Stahl als jeder in Thakandar gefertigte.
Er hörte ein Rascheln und schaute zu der Stelle auf der anderen Seite des Raums, an
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