Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
dunklen, leblosen Augen auf Rand gerichtet. Auch wenn er sich konzentrierte, hatte Rand den Eindruck, dass sein Blick an dem Grauen Mann vorbeischwenken wollte. Dieser war, was er war: einer der Schattenmörder. Als der Brief zu Boden flatterte, erkannte der Graue Mann, dass Rand ihn gesehen hatte. Aviendhas Schrei hing noch immer in der Luft, und sie prallte gerade auf dem Boden auf, als ein tief gehaltenes Messer in der Hand des Grauen Mannes erschien und er vorwärtsstürzte. Rand umgab ihn fast verächtlich mit Luftspiralen. Ein handgelenkdicker Feuerbalken schoss zwischen seine Schulter und brannte ein Loch durch die breite Brust des Grauen Mannes, durch das eine Faust gepasst hätte. Der Mörder starb, bevor er auch nur zusammenzucken konnte. Sein Kopf fiel vornüber, und diese Augen, die jetzt noch lebloser als zuvor wirkten, starrten Rand an.
Tot, was auch immer man dem Grauen Mann angetan hatte, dass er es nicht mehr ertragen konnte auszuharren. Tot war er plötzlich genauso sichtbar wie alle anderen. Aviendha, die gerade wieder hatte aufstehen wollen, keuchte entsetzt, und Rand spürte die Gänsehaut, die ihm anzeigte, dass er Saidar berührt hatte. Nanderas Hand zuckte zu ihrem Schleier, während sie unterdrückt aufschrie, und Jalani hob den ihren halbwegs an.
Rand ließ den leblosen Körper fallen, hielt aber weiterhin an Saidin fest, während er sich Taim zuwandte, der im Eingang seines Schlafzimmers stand. »Warum habt Ihr ihn getötet?« Nur ein Teil der kalten Härte in seiner Stimme entstammte dem Nichts. »Ich hatte ihn gefangen. Er hätte mir womöglich etwas sagen können, vielleicht sogar, wer ihn geschickt hat. Was tut Ihr überhaupt hier? Warum seid Ihr durch mein Schlafzimmer hereingeschlichen?«
Taim trat vollkommen ruhig ein. Er trug einen schwarzen Mantel mit einem in Blau und Gold um die Ärmel gewundenen Drachen. Aviendha rappelte sich auf, und ihr Blick drückte aus, dass sie, trotz Saidar , genauso bereit war, ihr blank gezogenes Gürtelmesser gegen Taim zu richten, wie es wieder einzustecken. Nandera und Jalani hatten ihre Schleier wieder gesenkt und wippten mit angriffsbereiten Speeren auf Zehenspitzen. Taim beachtete sie nicht. Rand spürte die Macht den Mann verlassen. Taim schien nicht einmal beunruhigt, dass Rand noch immer von Saidin erfüllt war. Dieses eigenartige unmerkliche Lächeln verzog seine Lippen, während er den toten Grauen Mann betrachtete.
»Hässliche Wesen, diese Seelenlosen.« Jeder andere wäre erschaudert, aber nicht Taim. »Ich bin durch das Wegetor auf Euren Balkon gekommen, weil ich dachte, Ihr wolltet die Neuigkeiten sofort erfahren.«
»Jemand, der zu schnell lernt?«, warf Rand ein, und Taim zeigte erneut dieses unmerkliche Lächeln.
»Nein, kein verkleideter Verlorener, nicht wenn er es nicht geschafft hat, sich als Junge von kaum über zwanzig Jahren zu verkleiden. Sein Name ist Jahar Narishma, und er hat das Talent, obwohl es sich noch nicht gezeigt hat. Bei Männern zeigt es sich gewöhnlich später als bei Frauen. Ihr solltet zur Schule zurückkehren. Ihr wärt überrascht, wie sie sich verändert hat.«
Das bezweifelte Rand nicht. Jahar Narishma war niemals ein andoranischer Name. Das Schnelle Reisen beinhaltete keine ihm bekannten Grenzen, aber Taim hatte sich bei seiner Suche nach geeigneten Schülern anscheinend noch viel weiter vorangewagt. Er sagte nichts, sondern betrachtete nur den Körper auf dem Teppich.
Taim verzog das Gesicht, aber nicht, weil ihn der Anblick aus der Fassung brachte, sondern nur aus Verärgerung. »Glaubt mir, ich wünschte, er wäre noch genauso lebendig wie Ihr. Ich habe ihn gesehen und gehandelt, ohne nachzudenken. Das Letzte, was ich will, ist, Euch tot zu sehen. Ihr habt ihn in dem Moment ergriffen, als ich die Macht lenkte, aber es war zu spät innezuhalten.«
Ich muss ihn töten, murmelte Lews Therin, und die Macht strömte in Rand ein. Er kämpfte erstarrt darum, Saidin fahren zu lassen, und es war wirklich ein Kampf, denn Lews Therin versuchte, es festzuhalten, versuchte, die Macht zu lenken. Schließlich verging die Eine Macht wie Wasser, das aus einem Loch in einem Eimer sickert.
Warum?, fragte er. Warum willst du ihn töten? Er erhielt keine Antwort, nur in der Ferne verrücktes Gelächter und Weinen.
Aviendha sah ihn mit äußerst besorgtem Gesichtsausdruck an. Sie hatte ihr Messer erhoben, aber das Kribbeln auf seiner Haut sagte ihm, dass sie Saidar zurückhielt. Die beiden Töchter des Speers
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