Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Vorgehen und bezüglich Informationen vier Regeln: Plane niemals etwas, ohne so viel wie möglich über deinen Feind zu wissen. Scheue dich niemals, deine Pläne zu ändern, wenn du neue Informationen erhältst. Glaube niemals, alles zu wissen. Und warte niemals darauf, alles zu erfahren. Der Mann, der darauf wartete, alles zu erfahren, saß noch immer in seinem Zelt, wenn der Feind es über seinem Kopf niederbrannte. Niall befolgte jene Regeln. Er hatte sie nur einmal in seinem Leben außer Acht gelassen, um einer Ahnung zu folgen. In Jhamara hatte er, aus keinem anderen Grund als einem Kribbeln im Hinterkopf, ein Drittel seines Heers Berge begutachten lassen, die alle für unpassierbar hielten. Während er seine restlichen Kräfte gegen die Murandianer und die Altarener geführt hatte, drang ein illianisches Heer, das hundert Meilen entfernt sein sollte, aus jenen angeblich unpassierbaren Pässen hervor. Der einzige Grund, warum es ihm gelang, sich zurückzuziehen, ohne zerschlagen zu werden, war dieses unbestimmte Gefühl. Und jetzt verspürte er dieses Kribbeln erneut.
»Ich traue ihm nicht«, sagte Tallanvor fest. »Er erinnert mich an einen jungen Burschen mit unschuldigem Gesichtsausdruck, den ich einmal auf einem Jahrmarkt gesehen habe und der dir in die Augen sehen und grinsen konnte, während er dir den Stuhl unter dem Hintern wegstahl.«
Morgase hatte zum ersten Mal keine Schwierigkeiten, ihr Temperament im Zaum zu halten. Der junge Paitr hatte berichtet, dass sein Onkel einen Weg gefunden hätte, sie aus der Festung des Lichts herauszuschmuggeln, sie und die anderen. Die anderen waren das Problem gewesen, Torwyn Barshaw hatte schon lange behauptet, er könnte sie allein hinausbringen, aber sie wollte die anderen nicht in der Willkür der Weißmäntel zurücklassen. Nicht einmal Tallanvor.
»Ich werde Eure Gefühle berücksichtigen«, sagte sie nachsichtig. »Aber lasst Euch nicht von ihnen behindern. Weisst du ein passendes Sprichwort, Lini? Etwas für den jungen Tallanvor und seine Gefühle?« Licht, warum hatte sie ein solches Vergnügen daran, ihn zu verspotten? Er beging fast einen Treubruch, aber sie war seine Königin und nicht … Der Gedanke wollte nicht fortgeführt werden.
Lini saß nahe den Fenstern und wickelte ein Knäuel aus blauem Garn von dem Strang auf, den Breane über den Händen hielt. »Paitr erinnert mich an diesen jungen Stallburschen, unmittelbar bevor du zur Weißen Burg gingst. Derjenige, der zwei Mägde geschwängert hat und dann erwischt wurde, als er sich mit einem Sack voller Tafelsilber deiner Mutter aus dem Palast schleichen wollte.«
Morgase presste die Kiefer zusammen, aber nichts konnte ihr Vergnügen verderben, nicht einmal der Blick, den Breane ihr zuwarf, als sollte es ihr erlaubt sein, auch ihre Meinung zu sagen. Paitr war bei Morgases unmittelbar bevorstehender Flucht außer sich vor Freude gewesen. Natürlich erwartete er für seinen Anteil daran anscheinend eine Belohnung von seinem Onkel – zumindest ließen einige seiner Bemerkungen über das Wiedergutmachen eines zu Hause begangenen Fehlers darauf schließen –, aber der junge Mann tanzte fast vor Freude, als sie dem Plan zustimmte, der sie alle heute aus der Festung und morgen bei Sonnenaufgang aus Amador herausbringen würde. Fort von Amador und auf den Weg nach Ghealdan, wo keine Soldaten mit Stricken drohten, um sie an Andor zu fesseln. Vor zwei Tagen war Barshaw selbst gekommen, um den Plan zu erläutern – als Krämer verkleidet, der Stricknadeln und Garn lieferte, ein untersetzter Mann mit großer Nase, cholerischem Blick und einem höhnisch verzogenen Mund, der jedoch ausreichend respektvoll sprach. Es war schwer zu glauben, dass er Paitrs Onkel war – sie sahen einander überhaupt nicht ähnlich –, und noch weniger, dass er ein Händler war. Dennoch war sein Plan bewundernswert einfach – wenn er auch kaum gewürdigt wurde – und setzte nur ausreichend viele Menschen außerhalb der Festung des Lichts voraus. Morgase würde die Festung des Lichts in einem Karren unter einer Wagenladung Küchenabfälle verlassen.
»Nun, Ihr wisst alle, was zu tun ist«, belehrte sie ihr Gefolge. Solange sie selbst sich in ihren Räumen aufhielt, konnten sich die anderen verhältnismäßig frei bewegen. Davon hing alles ab. Nun, nicht alles, aber sicherlich die Flucht aller außer ihrer eigenen. »Lini, du und Breane müsst euch im Waschhof aufhalten, wenn die Glocke erklingt.« Lini nickte willfährig,
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