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Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Weg, den ich früher zum Studierzimmer des Lordhauptmanns gegangen bin. Befindet er sich jetzt woanders?«
    »Ich nehme den kürzesten Weg«, erwiderte er kurz angebunden. »Ich habe mich um wichtigere Dinge zu kümmern als …« Er beendete seinen Satz nicht und verlangsamte auch seinen Schritt nicht.
    Sie hatte keine andere Wahl, als ihm zu folgen, einen von länglichen Räumen voller schmaler Feldbetten und Männern mit nackten Oberkörpern gesäumten Gang. Sie hielt ihren Blick fest auf Sarens Rücken gerichtet und formulierte im Geiste bereits die heftigen Sätze, die sie Niall an den Kopf werfen wollte. Es ging über einen Stallhof, über dem schwer der Geruch von Pferden und Dung hing und in dem ein Hufschmied in einer Ecke Pferde beschlug, einen weiteren Barackengang entlang, dann einen Gang, der auf einer Seite von Küchen gesäumt war und in dem es stark nach Geschmortem roch, in einen weiteren Hof … Sie blieb jäh stehen.
    Ein langes, hohes Schafott stand mitten auf dem Hof. Drei Frauen und mehr als ein Dutzend Männer füllten jeden Fleck der Plattform, die Hände und Füße gefesselt und mit um den Hals gelegten Schlingen. Einige weinten jämmerlich, aber die meisten wirkten einfach verängstigt. Die letzten beiden Männer am anderen Ende waren Torwyn Barshaw und Paitr, der Junge in Hemdsärmeln, anstatt in dem rot-weißen Umhang, den sie für ihn hatte fertigen lassen. Paitr weinte nicht, aber sein Onkel tat es. Paitr schien zu erschreckt, um an Tränen zu denken.
    »Für das Licht!«, rief ein Weißmantel-Offizier aus, und ein weiterer Weißmantel verschob einen langen Hebel am Ende des Schafotts.
    Falltüren öffneten sich mit lautem Krachen, und die Opfer fielen außer Sicht. Einige der fest gespannten Stricke erbebten, als die an ihrem Ende hängenden Menschen ihr Leben herauswürgten, anstatt an einem gebrochenen Genick schnell zu sterben. Paitr war einer von ihnen. Und ihre sorgfältig geplante Fluchtmöglichkeit starb mit ihm. Vielleicht hätte sie sich genauso sehr um ihn sorgen sollen, aber sie dachte an die Flucht, an ihren Ausweg aus der Falle, in die sie getappt war. Sie war gefangen, und Andor mit ihr.
    Saren sah sie an und erwartete eindeutig, dass sie in Ohnmacht fiele oder sich übergäbe.
    »So viele auf einmal?«, sagte sie und war stolz auf die Festigkeit ihrer Stimme. Paitrs Strick hatte aufgehört zu beben. Es schwang jetzt nur noch langsam von einer Seite zur anderen. Keine Fluchtmöglichkeit.
    »Wir hängen jeden Tag Schattenfreunde«, antwortete Saren trocken. »Ihr in Andor entlasst sie vielleicht mit einer Belehrung. Wir tun das nicht.«
    Morgase begegnete seinem Blick. Der kürzeste Weg? Das war also Nialls neue Taktik. Es überraschte sie nicht, dass ihre geplante Flucht nicht erwähnt wurde. Niall war dafür zu geschickt. Sie war ein ehrenwerter Gast, und Paitr und sein Onkel waren zufällig gehängt worden, für irgendein Verbrechen, das nichts mit ihr zu tun hatte. Wer würde als Nächster auf das Schafott steigen müssen? Lamgwin oder Basel? Lini oder Tallanvor? Seltsam, aber das Bild Tallanvors mit einem Strick um den Hals schmerzte sie mehr als dasselbe Bild von Lini. Der Verstand spielte ihr merkwürdige Streiche. Über Sarens Schulter hinweg erblickte sie Asunawa, der die Hinrichtung von einem Fenster aus beobachtete. Er schaute zu ihr hinab. Vielleicht war das sein Werk und nicht Nialls. Es machte keinen Unterschied. Sie durfte ihre Leute nicht vergebens sterben lassen. Sie durfte Tallanvor überhaupt nicht sterben lassen. Sehr merkwürdige Streiche.
    Sie wölbte spöttisch eine Augenbraue und sagte: »Wenn Euch dies die Knie hat weichwerden lassen, sollten wir warten, bis Ihr Eure Kraft wiederfindet.« Eine unbekümmerte Stimme, unbeeinträchtigt von dem, was sie gesehen hatte. Licht, sie durfte sich nicht übergeben.
    Sarens Gesicht verdüsterte sich, er wandte sich auf dem Absatz um und stolzierte davon. Sie folgte ihm würdigen Schrittes, schaute nicht zu Asunawas Fenster hoch und versuchte, nicht an das Schafott zu denken.
    Vielleicht war dies wirklich der kürzeste Weg, denn Saren führte sie im nächsten Gang drei steile Treppen hoch und brachte sie schneller zu Nialls Audienzraum, als sie jemals zuvor dorthin gelangt war. Niall stand, wie üblich, nicht auf, und es war kein Stuhl für sie da, sodass sie gezwungen war, wie eine Bittstellerin vor ihm stehen zu bleiben. Er schien erregt, saß schweigend da und sah sie an, ohne sie aber wirklich zu

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