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Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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dann lehne ich ab.«
    »Ich fürchte, diese Möglichkeit habt Ihr nicht«, seufzte Anaiya, während sie ihr Gewand glättete, ein erstaunlich gekräuseltes Kleidungsstück aus rosa Seide mit elfenbeinfarbener Spitze an jedem Saum. »Ihr könnt eine Berufung zur Amyrlin ebenso wenig verweigern, wie Ihr eine Berufung vor Gericht verweigern könntet. Sogar die Formulierung der Berufungen ist die gleiche.« Das war ermutigend. O ja, das war es.
    »Jetzt hat der Saal die Wahl.« Myrelle klang ein wenig traurig, was Egwene auch nicht half.
    Sheriam legte, plötzlich lächelnd, einen Arm um Egwenes Schultern. »Macht Euch keine Sorgen, Kind. Wir werden Euch helfen und Euch anleiten. Darum sind wir hier.«
    Egwene schwieg. Sie wusste keine Antwort. Vielleicht hatte es nichts mit Einschüchterung zu tun, wenn sie dem Gesetz gehorchte, aber es fühlte sich sehr ähnlich an. Sie deuteten ihr Schweigen als Einverständnis, und sie vermutete, dass es das auch war. Siuan wurde unverzüglich fortgeschickt und grollte, weil ihr die Aufgabe übertragen wurde, die Sitzenden persönlich aufzuwecken und ihnen mitzuteilen, dass Egwene eingetroffen war.
    Unruhe entstand, bevor Siuan aus der Tür war. Egwenes Reitgewand wurde Gegenstand einer heftigen Debatte – an der sie keineswegs teilhatte –, und eine rundliche Dienerin wurde aus ihrem Schlaf auf einem Stuhl im Hinterzimmer aufgeschreckt und mit der Ermahnung fortgeschickt, dass sie nur ja kein Wort über ihren Auftrag verlauten lassen sollte, alle Gewänder von Aufgenommenen zu besorgen, die sie finden konnte und die Egwene vielleicht passen könnten. Egwene probierte in dem vorderen Raum acht Gewänder an, bevor sie eines fand, das einigermaßen passte. Es war oben herum zu eng, aber wenigstens an den Hüften ausreichend weit. Die ganze Zeit über, während die Dienerin Gewänder hereinbrachte und Egwene sie anprobierte, belehrten Sheriam und die anderen sie abwechselnd darüber, was geschehen würde, was sie tun und sagen müsste.
    Sie ließen sie alles wiederholen. Die Weisen Frauen dachten, dass es genügte, etwas einmal zu sagen, und wehe dem Lehrling, der nicht zuhörte und ihre Worte nicht mitbekam. Egwene erinnerte sich von einer Novizinnen-Unterrichtsstunde in der Burg an einiges von dem, was sie jetzt sagen sollte, und sie wiederholte es schon beim ersten Mal Wort für Wort richtig, aber die Aes Sedai ließen sie es wieder und immer wieder nachsprechen. Egwene konnte das nicht verstehen. Bei allen anderen als Aes Sedai hätte sie behauptet, es geschähe aus Nervosität, auch wenn ihre Gesichter Ruhe ausstrahlten. Sie begann sich zu fragen, ob sie irgendetwas falsch machte, und fing an, verschiedene Worte zu betonen.
    »Sagt die Worte so, wie es Euch gelehrt wird«, fauchte Carlinya, und Myrelle, die kaum weniger kalt klang, sagte: »Ihr könnt Euch keinen Fehler leisten, Kind. Nicht einen einzigen!«
    Sie ließen sie die Worte noch fünf weitere Male wiederholen, und als sie einwandte, sie habe jedes Wort richtig wiedergegeben, habe genau erklärt, wer wo stehen würde und wer was sagen würde, dachte sie, Morvrin würde sie ohrfeigen, wenn Beonin oder Carlinya es nicht zuerst taten. Auf jeden Fall wirkte ihr Stirnrunzeln wie Schläge, und Sheriam sah sie an, als sei sie eine trotzige Novizin. Egwene seufzte und fing wieder von vorne an. »Ich gehe mit dreien von Euch als Begleitung hinein …«
    Es war eine stille Prozession, die durch die fast menschenleeren, vom Mond beschienenen Straßen zog. Wenige der vereinzelten Menschen, die sich noch hier aufhielten, sahen sie auch nur an. Sechs Aes Sedai mit einer Aufgenommenen in ihrer Mitte waren hier vielleicht – oder vielleicht auch nicht – ein gewohnter Anblick, aber sicherlich war es nicht ausreichend seltsam, um Aufmerksamkeit zu bewirken. Ehemals beleuchtete Fenster lagen jetzt im Dunkeln, und Ruhe hatte sich auf die Stadt gesenkt, sodass ihre Schritte auf dem festgetretenen Erdboden weit zu hören waren. Egwene betastete den Großen Schlangenring, der wieder fest an ihrer linken Hand steckte. Ihre Knie zitterten.
    Sie blieben vor einem rechteckigen, dreistöckigen Gebäude stehen. Alle Fenster waren dunkel, aber es wirkte im Mondlicht wie ein Gasthaus. Carlinya, Beonin und Anaiya sollten hierbleiben, und zumindest die beiden Erstgenannten waren nicht sehr erfreut darüber. Sie beschwerten sich nicht, was sie auch zuvor in dem Haus nicht getan hatten, aber sie richteten unnötigerweise ihre Röcke, hielten den

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