Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
wurden formelle Zeremonien ›in Licht gekleidet‹ durchgeführt. Was würden diese Frauen aus einem Aiel-Dampfzelt oder einem shienarischen Bad machen?
Es war keine Zeit zum Nachdenken.
»Wer erhebt sich für diese Frau«, fragte Romanda, »und bittet für sie, Herz für Herz, Seele für Seele, Leben für Leben?« Sie saß aufrecht und wirkte höchst würdevoll, obwohl ihr rundlicher Busen entblößt blieb.
»Ich bitte für sie«, sagte Sheriam bestimmt, kurz darauf nacheinander von den lauten Stimmen Morvrins und Myrelles gefolgt.
»Tretet vor, Egwene al’Vere«, befahl Romanda brüsk. Egwene trat drei Schritte vor und kniete sich hin. Sie fühlte sich wie erstarrt. »Warum seid Ihr hier, Egwene al’Vere?«
Sie war wirklich erstarrt. Sie fühlte nichts in ihrem Inneren. Sie konnte sich auch nicht mehr an die Antworten erinnern, aber irgendwie lösten sie sich dennoch von ihrer Zunge. »Ich wurde vom Saal der Burg gerufen.«
»Was wollt Ihr, Egwene al’Vere?«
»Der Weißen Burg dienen, nicht mehr und nicht weniger.« Licht, sie würden es wirklich tun!
»Wie würdet Ihr dienen, Egwene al’Vere?«
»Mit meinem Herzen und meiner Seele und meinem Leben im Licht wandelnd. Ohne Angst oder Begehren im Licht wandelnd.«
»Wo würdet Ihr dienen, Egwene al’Vere?«
Egwene atmete tief ein. Sie konnte diesem Wahnsinn noch Einhalt gebieten. Sie war sicherlich noch nicht so weit, um wirklich … »Auf dem Amyrlin-Sitz, wenn es dem Saal der Burg richtig erscheint.« Ihr Atem gefror. Jetzt war es zu spät zur Umkehr. Vielleicht war es schon im Herzen des Steins zu spät gewesen.
Delana stand als Erste auf, dann Kwamesa und Janya und weitere, bis neun Sitzende vor ihren Stühlen standen und Annahme signalisierten. Romanda saß noch fest auf ihrem Platz. Neun von achtzehn. Die Annahme musste einstimmig erfolgen – der Saal strebte stets nach Übereinstimmung, und letztendlich geschahen alle Abstimmungen einstimmig, obwohl es oft vieler Gespräche bedurfte, bis es gelang –, aber heute Abend gäbe es außer den zeremoniellen Sätzen keinerlei Gespräche, und dies war eine regelrechte, wenn auch knappe Ablehnung. Sheriam und die anderen hatten sie wegen ihres Einwandes ausgelacht, dass dies geschehen könnte, und das so bereitwillig, dass sie sich vielleicht Sorgen gemacht hätte, wenn die ganze Sache nicht so lächerlich gewesen wäre, aber sie hatten sie andererseits auch fast beiläufig davor gewarnt, dass dies geschehen könnte. Keine Ablehnung, sondern die Feststellung, dass die Sitzenden, die sich nicht erhoben hatten, keine Schoßhunde sein wollten. Laut Sheriam nur eine Geste, ein Zeichen, aber als sie Romandas und Lelaines starre Gesichter betrachtete, war sich Egwene dessen keineswegs sicher. Sie hatten auch gesagt, es würden vielleicht nur drei oder vier sein.
Die stehenden Frauen setzten sich schweigend wieder hin. Niemand sprach, aber Egwene wusste, was sie tun musste. Ihre Erstarrung war gewichen.
Sie erhob sich und trat auf die nächste Sitzende zu, eine Grüne mit strengen Gesichtszügen namens Samalin, die sich nicht erhoben hatte. Während Egwene sich vor Samalin wieder hinkniete, kniete sich Sheriam mit einer weiten Waschschüssel in Händen neben sie. Die Oberfläche des Wassers kräuselte sich. Sheriam wirkte kühl und nüchtern, während Egwene zu schwitzen begann, aber Sheriams Hände zitterten. Morvrin kniete sich ebenfalls hin und reichte Egwene ein Tuch, während Myrelle mit Handtüchern über dem Arm neben ihr wartete, Myrelle schien aus irgendeinem Grund verärgert.
»Bitte erlaubt mir zu dienen«, sagte Egwene. Strikt geradeaus schauend, raffte Samalin ihre Röcke bis zu den Knien. Sie war barfuß. Egwene wusch und trocknete beide Füße und trat dann zu der nächsten Grünen, einer etwas rundlichen Frau namens Malind. Sheriam und die anderen hatten ihr die Namen aller Sitzenden genannt. »Bitte erlaubt mir zu dienen.« Malind hatte ein hübsches Gesicht mit vollen Lippen und dunklen Augen, aber sie lächelte nicht. Sie war eine derjenigen, die aufgestanden waren, aber auch sie war barfuß.
Alle Sitzenden im Raum waren barfuß. Während Egwene all diese Füße wusch, fragte sie sich, ob die Sitzenden gewusst hatten, wie viele sich nicht erheben würden. Sie hatten eindeutig gewusst, dass einige es tun würden, dass dieser Dienst nötig sein würde.
Sie wusch und trocknete den letzten Fuß – er gehörte Janya, die die Stirn runzelte, als dächte sie an etwas völlig anderes,
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