Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
nur Egwene gegenüber?«
Mat runzelte die Stirn und fragte sich, ob der Mann glaubte, er könnte alles verwirren, wenn er nur lange genug im Kreis herumginge. »Ich mag Egwene. Ich … Verdammt, Thom, sie ist Egwene. Das sagt schon genug. Darum versuche ich, ihren törichten Hals zu retten.«
»Sie vor dem Stiefelmacher zu retten, meinst du«, murmelte Thom, aber Mat sprach einfach weiter.
»Ihren und auch Elaynes Hals, und sogar Nynaeves – wenn ich mich davon abhalten kann, sie eigenhändig zu erwürgen. Licht! Ich will ihnen doch nur helfen. Außerdem wird Rand mir den Hals brechen, wenn Elayne etwas zustößt.«
»Hast du jemals daran gedacht, ihnen bei dem zu helfen, was sie wollen, anstatt darauf zu beharren, was du willst? Wenn ich du wäre, würde ich Elayne auf ein Pferd setzen und nach Andor reiten. Aber sie hat anderes zu tun – ich glaube, sie muss es –, also werde ich in ihrer Nähe bleiben und Tag und Nacht befürchten, dass es jemandem gelingen könnte, sie zu töten, bevor ich es verhindern kann. Sie wird erst nach Caemlyn ziehen, wenn sie dazu bereit ist.« Er sog selbstzufrieden an seiner Pfeife, aber seine Stimme hatte am Ende ein wenig unsicher geklungen, als gefielen ihm seine Worte nicht so sehr, wie er vorgab.
»Mir scheint, als wollten sie sich Elaida ausliefern.« Also würde Thom dieses törichte Mädchen auf ein Pferd setzen? Ein Gaukler, der die Tochter-Erbin verschleppt, damit sie gekrönt wird! Thom hielt viel von sich.
»Du bist kein Narr, Mat«, sagte Thom ruhig. »Du weißt es besser. Egwene … es ist schwer, sich dieses Kind als Amyrlin vorzustellen …« Mat brummte ärgerlich. Thom achtete nicht auf ihn. »… und doch glaube ich, dass sie genügend Rückgrat hat. Es ist zu früh, um sagen zu können, ob gewisse Dinge nur Zufall sind, aber ich fange an zu glauben, dass sie auch den Verstand dafür hat. Die Frage ist aber: Ist sie zäh genug? Wenn nicht, werden sie sie lebendig verspeisen – mit Rückgrat, Verstand und allem anderen.«
»Wer wird das tun? Elaida?«
»Oh, sie ohnehin. Wenn sie die Gelegenheit dazu bekommt. Sie ist ausreichend zäh. Aber die Aes Sedai, die sich hier aufhalten, sehen Egwene kaum als Aes Sedai an. Vielleicht als Amyrlin, aber nicht als Aes Sedai, wenn das auch schwer zu glauben ist.« Thom schüttelte den Kopf. »Ich verstehe es nicht, aber es stimmt. Das Gleiche gilt für Elayne und Nynaeve. Sie versuchen, es für sich zu behalten, aber selbst Aes Sedai können nicht alles verbergen, wenn man sie genau beobachtet und seinen Verstand gebraucht.« Er zog erneut den Brief hervor, drehte ihn aber nur in den Händen, ohne ihn zu betrachten. »Egwene wandelt an einem Abgrund, Mat, und drei Gruppen hier in Salidar – ich bin mir sicher, dass es drei sind – könnten sie hinabstoßen, wenn sie nur einen falschen Schritt tut. Elayne wird ihr folgen, wenn das geschieht, und Nynaeve ebenfalls. Oder vielleicht werden sie die beiden zuerst hinabstoßen, damit sie Egwene mit hinabziehen.«
»Hier in Salidar«, wiederholte Mat vollkommen tonlos. Thom nickte ruhig, und Mat konnte nicht verhindern, dass seine Stimme lauter wurde. »Und du willst, dass ich sie hierlasse?«
»Ich will, dass du aufhörst zu glauben, du könntest sie dazu bringen , etwas zu tun. Sie haben bereits beschlossen, was sie tun werden, und du kannst es nicht ändern. Aber vielleicht – nur vielleicht – kannst du mir helfen, ihr Leben zu retten.«
Mat sprang auf. Er sah vor seinem geistigen Auge das Bild einer Frau mit einem Messer zwischen den Brüsten. Es war keine der geborgten Erinnerungen. Er trat gegen das Fass, auf dem er gesessen hatte, sodass es die Gasse hinunterrollte. Einem Gaukler helfen, ihr Leben zu retten? Eine schwache Erinnerung regte sich, eine Erinnerung an Basel Gill, einen Wirt in Caemlyn, der etwas über Thom gesagt hatte, aber sie war nur flüchtig und verschwand, sobald er sie festhalten wollte. »Von wem ist der Brief, Thom? Von einer weiteren Frau, die du gerettet hast? Oder hast du sie dort gelassen, wo sie ihr Leben verlieren konnte?«
»Ich habe sie dort gelassen«, sagte Thom leise. Er stand auf und ging wortlos davon.
Mat streckte halb die Hand aus, um ihn aufzuhalten, und wollte etwas sagen. Aber ihm fiel nichts ein. Verrückter alter Mann! Nein, er war nicht verrückt. Egwene war stur wie ein Maultier, und Nynaeve ließ sie fügsam wirken. Noch schlimmer – beide würden auf einen Baum klettern, um die Blitze besser sehen zu können.
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