Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
wirklicher Fehlschlag gewesen. Sie wusste das, aber alle jene Jahre hatten auch ein gewisses Gespür tief in ihr verwurzelt. »Wir treten an einige Adlige heran, die sich mit etwas Glück jetzt in Caemlyn aufhalten …«
»Meine Sorge gilt Elayne«, sagte Dyelin bestimmt. Und umso bestimmter, da sie mit einer Aes Sedai allein in dem Privatraum war. Eine Aes Sedai konnte eine andere Frau hart bedrängen, wenn sie Schwäche zeigte oder allein war. Besonders wenn niemand sonst wusste, dass diejenige mit ihr allein war.
Kairen Sedai lächelte, aber weder das Lächeln noch die kühlen blauen Augen gaben etwas preis. »Es ist durchaus möglich, dass die Tochter-Erbin noch immer den Löwenthron einnehmen könnte, auch wenn manchen die Widerstände vielleicht unüberwindlich erscheinen.«
»Der Wiedergeborene Drache sagt …«
»Männer sagen vieles, Lady Dyelin, aber Ihr wisst, dass ich nicht lüge.«
Luan tätschelte den grauen Hals des tairenischen Hengstes, blickte in beide Richtungen, ob einer der Pferdeknechte in den Stall käme, und konnte nur knapp einem heimtückischen Biss ausweichen. Rafelas Behüter würde sie warnen, aber Luan hegte in letzter Zeit seine Zweifel, ob er noch jemandem vertrauen konnte. Gewiss nicht einem Besucher dieser Art. »Ich bin nicht sicher, ob ich das verstehe«, sagte er kurz angebunden.
»Einigkeit ist besser als Aufspaltung«, sagte Rafela, »Frieden besser als Krieg und Geduld besser als der Tod.« Luan hob bei dieser seltsamen letzten Bemerkung ruckartig den Kopf, und die rundgesichtige Aes Sedai lächelte. »Wäre Andor nicht besser dran, wenn Rand al’Thor das Land in Frieden vereint ließe, Lord Luan?«
Ellorien hielt ihr Gewand geschlossen und sah die Aes Sedai an, die es geschafft hatte, sie in ihrem Bad anzutreffen, ohne angekündigt worden zu sein. Womöglich war sie nicht einmal gesehen worden. Die Frau mit der kupferfarbenen Haut erwiderte ihren Blick von dem Stuhl auf der anderen Seite der mit Wasser gefüllten Marmorbadewanne, als sei dies ganz selbstverständlich. »Wer sollte den Löwenthron dann innehaben, Demira Sedai?«, fragte Ellorien schließlich.
»Das Rad webt, wie das Rad es wünscht«, lautete die Erwiderung, und Ellorien wusste, dass sie keine andere Antwort bekommen würde.
KAPITEL 44
Die Eigenschaft Vertrauen
A ls Vanin gegangen war, um die Bande anzuweisen, sich ruhig zu verhalten, stellte Mat fest, dass es in Salidar kein Gasthaus mehr gab, das nicht von Aes Sedai übernommen worden war, und auch die fünf Ställe waren alle brechend voll. Und doch räumte der schmalgesichtige Stallknecht die Hafersäcke und Strohballen aus einem ummauerten Hof, der für sechs Pferde ausreichte, als er ihm eine kleine Silbermünze zusteckte. Er wies Mat und den übrigen vier Männern der Bande Schlafplätze auf dem Heuboden zu, wo es kaum kühler war als anderswo.
»Bittet um nichts«, belehrte Mat seine Männer, während er seine restlichen Münzen unter ihnen aufteilte. »Bezahlt für alles, und nehmt keine Geschenke an. Die Bande wird hier niemandem etwas schuldig sein.«
Seine vorgetäuschte Zuversicht übertrug sich auf sie, und sie zögerten keine Sekunde, als er ihnen befahl, die Banner außen an der Tür des Heubodens zu befestigen, sodass sie für jedermann gut sichtbar vor dem Stall herabhingen – das karmesinrot-weiße Banner, die schwarz-weiße Scheibe und der Drache. Aber die Augen des Stallknechts traten hervor, und er verlangte sehr erregt zu wissen, was Mat da tat.
Mat grinste nur und warf dem Burschen eine Goldmünze zu. »Ich will nur jedermann deutlich machen, wer hier Quartier genommen hat.« Er wollte Egwene unmissverständlich zeigen, dass er sich nicht herumschubsen lassen würde, und manchmal musste man sich wie ein Narr verhalten, wenn man Menschen dies verdeutlichen wollte.
Leider zeitigten die Banner aber kaum Wirkung. Oh, jedermann, der vorüberging, sperrte den Mund auf und deutete darauf, und eine Anzahl Aes Sedai kamen nur, um sie mit kühlem und ausdruckslosem Blick anzuschauen. Mat erwartete die empörte Aufforderung, die Banner abzunehmen, aber nichts dergleichen geschah. Als er zur Kleinen Burg zurückkehrte, rückte eine Aes Sedai, die trotz glatter, altersloser Wangen verhärmt wirkte, ihre braun gesäumte Stola zurecht und belehrte ihn mit äußerster Deutlichkeit, der Amyrlin-Sitz sei beschäftigt, und sie könne ihn vielleicht in ein oder zwei Tagen empfangen. Vielleicht. Elayne schien verschwunden zu sein und
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