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Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Nynaeves Blicke auf sich zogen.
    Natürlich eilten überall Diener umher. Die Livree der Männer bestand aus einer weißen Hose und einer langen grünen Weste über einem weißen Hemd mit weiten Ärmeln, aber bevor sie allzu weit gegangen waren, sah Nynaeve jemanden auf sie zuschreiten, der sie veranlasste, stehen zu bleiben und Elaynes Arm zu ergreifen. Es war Jaichim Carridin. Sie wandten den Blick nicht von dem großen, bereits ergrauenden Mann ab, als er in seinem weißen Umhang an ihnen vorüberging, jene grausamen, tief liegenden Augen beständig von ihnen abgewandt. Schweißperlen bedeckten sein Gesicht, aber das missachtete er genauso, wie er sie missachtet hatte.
    »Was macht er hier?«, fragte Nynaeve. Dieser Mann hatte in Tanchico ein Blutbad ausgelöst, und nur das Licht wusste, wo sonst noch.
    Die Dienerin sah sie fragend an. »Auch die Kinder des Lichts haben schon vor Monaten eine Abordnung gesandt. Die Königin … Aes Sedai?« Erneut dieses Zögern.
    Elayne gelang es, huldvoll zu nicken, aber Nynaeve vermochte die Schroffheit nicht aus ihrer Stimme zu verbannen. »Dann sollten wir sie nicht warten lassen.« Merilille hatte über diese Tylin unter anderem geäußert, dass sie eine kleinliche, sehr gewissenhafte Frau war. Aber wenn sie daran zu zweifeln begänne, dass sie Aes Sedai waren, war Nynaeve gerade in der richtigen Stimmung, es ihr zu beweisen.
    Die Dienerin verließ sie in einem großen Raum mit einer hellblauen Decke und gelben Wänden, wo eine Reihe hoher Fenster den Blick auf einen breiten Balkon freigaben und eine angenehme, salzige Brise hereinließen. Elayne und Nynaeve vollführten ihre Hofknickse vor der Königin so, wie es von Aes Sedai gegenüber einem Herrscher angemessen war – ein leichtes Vornüberneigen und ein leichtes Beugen des Kopfes.
    Tylin war eine äußerst beeindruckende Frau. Nicht größer als Nynaeve, stand sie in einer königlichen Haltung da, die Elayne sich sogar an ihrem besten Tag nur mühsam hätte zu eigen machen können. Sie hätte gleichermaßen auf ihre Ehrerbietung antworten müssen, aber sie tat es nicht. Stattdessen betrachteten ihre großen schwarzen Augen sie mit zwingender Eindringlichkeit.
    Nynaeve hielt ihrem Blick so gut wie möglich stand. Wogen glänzenden schwarzen Haars, an den Schläfen leicht ergraut, reichten bis weit unterhalb Tylins Schultern und umrahmten ein Gesicht, das hübsch, wenn auch nicht mehr vollkommen glatt war. Erschreckenderweise befanden sich zwei Narben auf den Wangen der Frau, haarfein und so alt, dass sie fast verschwunden waren. Natürlich stak einer jener gebogenen Dolche in einem Gürtel aus gewobenem Gold, dessen Heft und Scheide mit Edelsteinen besetzt waren. Nynaeve war sicher, dass dies nur eine Prunkwaffe war, und auch Tylins blaues Seidengewand war sicherlich nicht für einen Kampf geeignet. Schneeweiße Spitzenfalten hätten fast ihre Finger verborgen, wenn sie die Arme gesenkt hätte, und die Röcke waren vorn bis über die Knie gerafft und gaben grün-weiße Seidenunterröcke frei, die einen Schritt oder mehr hinter ihr herschleiften. Das mit der gleichen Spitze geschmückte Leibchen lag so eng an, dass Nynaeve nicht wusste, ob es unbequemer wäre, darin zu sitzen oder zu stehen. Ein Kragen aus gewobenem Gold um den Hals der Frau stützte einen in einer weißen Scheide steckenden Hochzeitsdolch, der mit nach unten gerichtetem Heft in dem ovalen Ausschnitt hing.
    »Ihr beide müsst Elayne und Nynaeve sein.« Tylin ließ sich auf einem goldüberzogenen Stuhl nieder und richtete sorgfältig ihre Röcke, ohne den Blick von ihnen abzuwenden. Ihre Stimme klang tief, melodisch und gebieterisch. »Ich hörte, es sei noch eine dritte dabei. Aviendha?«
    Nynaeve und Elayne wechselten Blicke. Sie waren nicht aufgefordert worden, sich hinzusetzen. Nicht einmal eine Augenbewegung in Richtung eines Stuhles war erfolgt. »Sie ist keine Aes Sedai«, begann Elayne ruhig.
    Tylin unterbrach sie, bevor sie mehr sagen konnte. »Und Ihr seid es? Ihr seid bestenfalls achtzehn Jahre alt, Elayne. Und Ihr, Nynaeve, die Ihr mich anseht wie eine Katze, die man am Schwanz festhält, wie alt seid Ihr? Zweiundzwanzig? Vielleicht dreiundzwanzig? Gütiger Himmel! Ich besuchte einst Tar Valon und die Weiße Burg. Ich bezweifle, dass jemals eine Frau Eures Alters diesen Ring an ihrer rechten Hand getragen hat.«
    »Sechsundzwanzig!«, fauchte Nynaeve. Da ein großer Teil der Frauen, die sie für zu jung hielten, um eine Dorfheilerin zu sein,

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