Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
gekrümmt saß, dass sie mit dem Kopf voraus hinabzufallen drohte, als sie in der Luft schwankte und auf dem Schiff außer Sicht geriet. Einer der Burschen schaute dennoch hoch, und Birgitte schlug ihm mit der Faust auf die Nase. Sie sahen ihr sicherlich nicht beim Aufstieg zu.
Aviendhas Gürtelmesser war klein und besaß eine nicht einmal einen halben Fuß lange Klinge, aber die Ruderer runzelten dennoch besorgt die Stirn, als sie es blankzog. Sie nahm den Arm zurück, und die Männer ließen sich aufs Deck fallen, als das Messer über ihre Köpfe wirbelte und mit einem wuchtigen Plonk in den dicken Holzpfosten im Bug des Bootes stecken blieb. Aviendha schlang sich ihren Umhang wie ein Schultertuch um den Arm und raffte die Röcke bis über die Knie, sodass sie über die Ruder hinwegsteigen und ihr Messer zurückholen konnte, um dann ihren Platz auf der baumelnden Planke einzunehmen. Sie steckte das Messer nicht wieder ein. Aus irgendeinem Grund wechselten die beiden Männer verwirrte Blicke, aber sie hielten die Augen gesenkt, während Aviendha hinaufgehoben wurde. Vielleicht bekam sie allmählich ein Gefühl für Feuchtländer-Bräuche.
Als sie auf das Deck des großen Schiffes gelangte, staunte Aviendha und vergaß beinahe, den schmalen Sitz zu verlassen. Sie hatte über die Atha’an Miere gelesen, aber darüber zu lesen und sie zu sehen, war genau solch ein Unterschied, wie über Salzwasser zu lesen und es zu schmecken. Zum einen waren sie alle dunkelhäutig, viel dunkler als die Ebou Dari und sogar dunkler als die meisten Tairener, mit glattem schwarzen Haar, schwarzen Augen und tätowierten Händen. Barfüßige Männer mit bloßem Oberkörper und bunten, schmalen Schärpen, die ausgebeulte, schmutzig aussehende Hosen aus einem dunklen Stoff hielten, und Frauen in ebenso bunten Blusen wie Schärpen und mit schwingenden Bewegungen passten sich anmutig dem Rollen des Schiffes an. Meervolk-Frauen hatten nach dem, was sie gelesen hatte, in Bezug auf Männer sehr merkwürdige Bräuche, tanzten nur mit einem Tuch bekleidet und Schlimmeres, aber es waren die Ohrringe, die Aviendhas Blicke auf sich zogen. Die meisten Frauen besaßen drei oder vier, häufig mit glänzenden Steinen, und eine Frau wies tatsächlich einen kleinen Ring in einem Nasenflügel auf! Bei den Männern war es ähnlich, zumindest was die Ohrringe betraf, und genauso viele trugen Gold- und Silberketten um den Hals. Männer! Einige Feuchtländer trugen auch Ringe in den Ohren – die meisten Ebou Dari anscheinend ebenfalls – aber so viele! Und Halsketten! Feuchtländer hatten seltsame Angewohnheiten. Sie hatte gelesen, dass das Meervolk seine Schiffe niemals verließ – niemals –, und dass es vermutlich seine Toten aß. Das hatte sie nicht wirklich glauben können, aber wenn die Männer Halsketten trugen, wer wusste dann, was sie sonst noch taten?
Die Frau, die ihnen entgegenkam, trug Hose, Bluse und Schärpe wie die anderen, aber ihre Kleidung war aus gelber, brokatdurchwirkter Seide, und die Schärpe, deren Enden bis zu den Knien herabhingen, war mehrfach geknotet. An einer ihrer Halsketten baumelte eine kleine goldene, kompliziert gearbeitete Dose. Ein süßlicher Moschusgeruch umgab die Frau. Ihr Haar war stark von Grau durchzogen, und sie hatte ein ernstes Gesicht. Jeweils fünf kleine, breite Goldringe schmückten ihre Ohren, und eine dünne Kette verband einen davon mit einem ähnlichen Ring in ihrer Nase. Winzige Medaillons aus glänzendem Gold, die von dieser Kette herabbaumelten, blitzten im Sonnenlicht auf, während sie die Ankömmlinge betrachtete.
Aviendha nahm die Hand von ihrer eigenen Nase – solch eine Kette zu tragen, die immer herabzog! – und konnte kaum ein Lachen unterdrücken. Feuchtländer-Bräuche waren unglaublich, und sicherlich verdiente kein Volk diese Charakterisierung eher als das Meervolk.
»Ich bin Malin din Toral Brechende Woge«, sagte die Frau, »eine Herrin der Wogen des Clans Somarin und Segelherrin der Windläufer .« Eine Herrin der Wogen war eine wichtige Persönlichkeit, wie ein Clanhäuptling, und doch schien sie unsicher und schaute von einem zum anderen Gesicht, bis ihr Blick auf die Großen Schlangenringe fiel, die Elayne und Nynaeve trugen, und dann atmete sie ergeben aus. »Wenn Ihr mir folgen wollt, Aes Sedai?«, sagte sie zu Nynaeve.
Das Heck des Schiffs war hochgezogen. Die Frau führte sie durch eine Tür ins Innere und dann einen Gang hinab zu einem großen Raum – eine Kabine –
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