Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
nötig gewesen wäre, dass er sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte – oder sie hätte ihn gleichermaßen ausführlich dafür gerügt, dass er den Dank für nötig gehalten hätte oder hätte verdeutlicht, dass sie etwas Greifbareres erwartete als Worte. Birgitte zuckte nur die Achseln, und im Verlauf der nächsten zwei Tage kam ihm etwas Bestürzendes in den Sinn.
Frauen dienten für ihn normalerweise dazu, sie zu bewundern und anzulächeln, mit ihnen zu tanzen und sie zu küssen, wenn sie es zuließen, oder mit ihnen zu kuscheln, wenn er Glück hatte. Es bereitete fast genauso viel Vergnügen zu entscheiden, welche Frau man erobern wollte, wie sie zu erobern, wenn auch nicht annähernd so viel, wie sie zu besitzen. Einige Frauen waren natürlich nur Freundinnen. Wenige. Egwene beispielsweise, obwohl er sich nicht sicher war, wie diese Freundschaft ihren Aufstieg zur Amyrlin überstehen würde. Auch Nynaeve war in gewisser Weise eine Art Freundin. Wenn sie nur einmal eine Stunde lang vergessen könnte, dass sie ihm mehr als einmal den Hosenboden versohlt hatte, und sich daran erinnern würde, dass er kein Junge mehr war. Aber die Freundschaft mit einer Frau unterschied sich von der Freundschaft mit einem Mann. Dabei war man sich stets bewusst, dass sie anders dachte als man selbst, dass sie die Welt mit anderen Augen sah.
Birgitte beugte sich auf der Bank zu ihm. »Du solltest besser vorsichtig sein«, murmelte sie. »Diese Witwe hält nach einem neuen Ehemann Ausschau. Ihr Hochzeitsdolch steckt in einer blauen Scheide. Außerdem ist das Haus dort drüben.«
Er blinzelte, verlor die rundliche Frau, die ihre Hüften beim Gehen so außerordentlich schwang, aus den Augen, und Birgitte reagierte auf seinen verlegenen Gesichtsausdruck mit Lachen. Nynaeve hätte ihn wortreich gerügt, und selbst Egwene hätte kühle Missbilligung gezeigt. Am Ende des zweiten Tages auf dieser Bank erkannte er, dass er die ganze Zeit dicht mit Birgitte zusammengesessen und nicht einmal daran gedacht hatte, sie zu küssen. Er war sich sicher, dass sie auch nicht von ihm geküsst werden wollte – offen gesagt, wäre er, wenn man die hässlichen Männer bedachte, die sie anscheinend gern betrachtete, vielleicht beleidigt gewesen, wenn sie es gewollt hätte. Birgitte war zudem eine Heldin aus der Legende, von der er noch immer halbwegs erwartete, dass sie über ein Haus springen und unterwegs einige Verlorene am Kragen packen würde. Aber das war es nicht: Er hätte genauso gut daran denken können, Nalesean zu küssen. Genauso wie den Tairener, ganz genauso, mochte er Birgitte.
Zwei Tage verbrachten sie bereits auf dieser Bank und gingen die Gasse neben der Färberei auf und ab, um die hohe Mauer aus kahlen Ziegelsteinen an der Rückseite des Gartens des Hauses zu betrachten. Birgitte hätte hinaufklettern können, aber selbst sie hätte sich vielleicht den Hals gebrochen, wenn sie es in einem Kleid versuchte. Dreimal beschloss er spontan, Frauen zu folgen, die das Haus verließen, von denen zwei den roten Gürtel einer Heilerin trugen. Die zufällige Gelegenheit schien sein Glück zu beschwören. Eine der Heilerinnen ging um die Ecke und kaufte ein Bündel gedörrte Rüben, bevor sie zurückging. Die andere lief zwei Straßen weiter, um zwei große, grün gestreifte Fische zu kaufen. Die dritte Frau, groß und dunkel in geschmackvollem grauen Tuch – vielleicht eine Tairenerin – überquerte zwei Brücken, bevor sie einen großen Laden betrat, in dem sie von einem mageren, sich verbeugenden Burschen lächelnd begrüßt wurde und dann das Verladen von lackierten Schachteln und Kästchen in mit Sägespänen gefüllte Körbe überwachte, die wiederum auf einen Wagen geladen wurden. Soweit er hören konnte, hoffte sie, damit in Andor einen hübschen Betrag in Silber zu verdienen. Mat konnte nur knapp davonkommen, ohne eine Schachtel zu kaufen. So viel zu zufälligem Glück.
Auch niemand sonst hatte Glück. Nynaeve, Elayne und Aviendha schlenderten durch die Straßen rund um Carridins kleinen Palast, ohne jemanden zu sehen, den sie wiedererkannt hätten, was sie unendlich enttäuschte. Sie weigerten sich noch immer, ihm zu sagen, um wen es ging. Es war auch einerlei, da die Leute sich ohnehin nicht zeigten. Das sagten sie ihm, während sie ihn strahlend anlächelten. Zumindest dachte er, dass es ein Lächeln sein sollte. Es war eine Schande, dass Aviendha sich anscheinend so sehr mit den beiden anderen eingelassen hatte, aber dann
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