Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
»Anscheinend hat Josaine vor einigen Jahren ein Angreal gefunden und niemals zurückgegeben. Und Adelorna hat, fürchte ich, noch Schlimmeres getan. Sie hat ohne Erlaubnis ein Angreal aus einem der Lagerräume entwendet. Wenn Ihr sie gefunden habt, werdet Ihr sofort ihre Bestrafung verkünden. Eine recht harte Strafe. Und gleichzeitig werdet Ihr Doraise, Kiyoshi und Farellien als Beispiele der Aufrechterhaltung des Gesetzes hinstellen. Ihr werdet jeder ein Geschenk machen. Ein gutes Pferd wird genügen.«
Elaida fragte sich, ob ihr wohl die Augen aus dem Gesicht fallen würden. »Warum?« Manchmal behielt eine Schwester dem Gesetz zum Trotz ein Angreal für sich, aber die Strafe betrug selten mehr als einen festen Schlag auf die Knöchel. Jede Schwester wusste um die Versuchung. Und um alles andere! Die Absicht war offensichtlich. Jedermann würde glauben, Doraise und Kiyoshi und Farellien hätten die anderen beiden entlarvt. Josaine und Adelorna waren Grüne, während die anderen der Braunen und Grauen beziehungsweise der Gelben Ajah angehörten. Die Grüne Ajah würde zornig sein. Sie könnten sogar versuchen, es den anderen heimzuzahlen, was wiederum jene Ajahs aufwiegeln würde und … »Warum wollt Ihr das tun, Alviarin?«
»Elaida, es sollte Euch genügen, dass ich Euch dies rate.« Spöttisches, honigsüßes Eis wurde zu kaltem Stahl. »Ich möchte Euch sagen hören, dass Ihr tun werdet, was man Euch befiehlt. Sonst hat es für mich keinen Zweck mehr zu versuchen, die Stola um Euren Hals zu retten. Sagt es!«
»Ich …« Elaida versuchte, den Blick abzuwenden. Oh, Licht, sie musste nachdenken! Ihr Magen verkrampfte sich. »Ich werde … tun … was man … mir sagt.«
Alviarin lächelte ihr frostiges Lächeln. »Seht Ihr, das war doch gar nicht so schwer.« Sie trat jäh zurück und breitete bei einem angemessenen Hofknicks ihre Röcke aus. »Ich werde mich, mit Eurer Erlaubnis, zurückziehen, damit Ihr den Rest der Nacht noch etwas Schlaf finden mögt. Ihr müsst morgen früh zeitig aufstehen, um Chubain Befehle zu erteilen und Räume zu durchsuchen. Außerdem müssen wir entscheiden, wann wir die Burg über die Asha’man in Kenntnis setzen.« Ihr Tonfall machte deutlich, dass sie diese Entscheidung treffen würde. »Und vielleicht sollten wir auch damit beginnen, unseren nächsten Zug gegen al’Thor zu planen. Die Burg muss sich bald offen bekennen und ihn gefügig machen, meint Ihr nicht? Denkt gut darüber nach. Ich wünsche Euch eine angenehme Nacht, Elaida.«
Elaida sah ihr benommen und mit einem Gefühl der Übelkeit nach. Offen bekennen? Das würde einen Angriff dieser – wie hatte die Frau sie genannt? – Asha’man nur herausfordern . Das durfte ihr nicht passieren. Nicht ihr! Bevor sie erkannte, was sie tat, schleuderte sie ihren Becher quer durch den Raum, sodass er an der Wand zerbarst. Dann ergriff sie mit beiden Händen den Krug, hob ihn mit einem Wutschrei über den Kopf und schleuderte ihn ebenfalls von sich, sodass der gewürzte Wein umherspritzte. Die Vorhersage war so eindeutig gewesen! Sie würde …!
Sie hielt jäh inne und betrachtete stirnrunzelnd die winzigen, an der Wand hängenden Kristallsplitter und die über den Boden verstreuten größeren Scherben. Die Vorhersage. Sie hatte gewiss ihren Triumph prophezeit. Ihren Triumph! Alviarin hatte vielleicht einen geringfügigen Sieg errungen, aber die Zukunft gehörte Elaida. Solange sie Alviarin loswerden könnte. Aber es musste still geschehen, auf eine Art, dass sogar der Saal es verheimlichen wollte. Auf eine Art, die erst auf Elaida hindeuten würde, wenn es zu spät wäre, falls Alviarin davon erfahren sollte. Und plötzlich kam ihr die Idee. Alviarin würde es nicht glauben, wenn man es ihr erzählte. Niemand würde es glauben.
Hätte Alviarin sie jetzt lächeln sehen, wären ihr die Knie weichgeworden. Bevor sie mit ihr fertig war, würde Alviarin Galina beneiden, lebendig oder tot.
Alviarin blieb im Gang vor Elaidas Räumen stehen und betrachtete beim Licht der Stehlampen ihre Hände. Sie zitterten nicht, was sie überraschte. Sie hatte erwartet, dass die Frau stärker kämpfen, länger widerstehen würde. Aber der Anfang war gemacht, und sie hatte nichts zu befürchten. Es sei denn, Elaida erfuhr, dass ihr in den letzten Tagen nicht weniger als fünf Ajahs Nachrichten über al’Thor hatten zukommen lassen. Die Entlassung Colavaeres hatte die Agenten jeder Ajah in Cairhien eiligst zur Feder greifen lassen. Nein,
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