Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
nervös? Sie kannte neunundneunzig verschiedene, unangenehme Stimmungen, aber nervös war die Frau niemals. »Was ich Euch jetzt sage, ist der Flamme versiegelt, Seaine.« Sie verzog den Mund, zuckte die Achseln und riss verärgert an ihrer Stola. »Wenn ich wüsste, wie ich es noch eindringlicher ausdrücken könnte, würde ich es tun«, sagte sie vollkommen trocken.
»Ich werde Eure Worte in meinem Herzen bewahren, Mutter.«
»Ich möchte – ich befehle Euch –, dass Ihr Nachforschungen anstellt. Ihr müsst dies wirklich in Eurem Herzen bewahren. Wenn die falsche Person davon erfährt, könnte es Tod und Unheil für die ganze Burg bedeuten.«
Seaines Augenbrauen zuckten. Tod und Unheil für die ganze Burg? »In meinem Herzen«, wiederholte sie. »Möchtet Ihr Euch setzen, Mutter?« Das war in ihren eigenen Räumen angemessen. »Darf ich Euch etwas Minztee anbieten? Oder gewürzten Pflaumenwein?«
Elaida winkte ab und ließ sich auf dem bequemsten Stuhl nieder, den Seaines Vater als Geschenk geschnitzt hatte, als sie die Stola erhielt, obwohl die Polster seitdem natürlich mehrmals erneuert worden waren. Die Amyrlin verlieh dem Stuhl durch ihren starr aufgerichteten Rücken und die eiserne Haltung den Anstrich eines Throns. Höchst ungnädigerweise erteilte sie Seaine nicht die Erlaubnis, sich zu setzen, sodass Seaine die Hände faltete und stehen blieb.
»Ich habe, seit man meine Vorgängerin und ihre Bewahrerin der Chroniken entkommen ließ, lange und intensiv über Verrat nachgedacht, Seaine. Ihrer Flucht muss Verrat zugrunde gelegen haben, und ich fürchte, dass einige Schwestern ihnen geholfen haben könnten.«
»Das wäre gewiss eine Möglichkeit, Mutter.« Elaida runzelte angesichts der Unterbrechung die Stirn.
»Wir können niemals sicher sein, wer den Schatten des Verrats im Herzen trägt, Seaine. Nun, ich vermute, dass jemand Vorkehrungen getroffen hat, einen meiner Befehle zu widerrufen. Und ich habe Grund zu der Annahme, dass jemand persönlich mit Rand al’Thor Verbindung aufgenommen hat. Ich weiß nicht, zu welchem Zweck, aber das ist sicherlich Verrat an mir und an der Burg.«
Seaine wartete auf weitere Äußerungen, aber die Amyrlin erwiderte nur ihren Blick und strich zögernd ihre mit roten Schlitzen versehenen Röcke glatt, als sei sie sich dieser Bewegung nicht bewusst. »Wonach genau soll ich forschen, Mutter?«, fragte sie vorsichtig.
Elaida sprang auf. »Ich beauftrage Euch, den Gestank des Verrats zu verfolgen, egal, wohin oder wie hoch hinauf er führt – auch wenn er zu der Bewahrerin der Chroniken selbst führt. Was Ihr findet, werdet Ihr allein dem Amyrlin-Sitz berichten, Seaine. Niemand sonst darf davon wissen. Versteht Ihr mich?«
»Ich verstehe Eure Befehle, Mutter.«
Was, wie sie dachte, nachdem Elaida noch schneller verschwand, als sie gekommen war, ungefähr das Einzige war, was sie verstand. Sie setzte sich nachdenklich auf den Stuhl, den die Amyrlin frei gemacht hatte, die Fäuste unter das Kinn gepresst – die Haltung, in der ihr Vater stets dagesessen hatte, wenn er nachgedacht hatte. Am Ende trug die Logik immer den Sieg davon.
Sie hätte sich nicht gegen Siuan Sanche gestellt – sie selbst hatte das Mädchen zuerst als Amyrlin vorgeschlagen! –, aber nachdem es geschehen war und alle Formen gewahrt waren, wie flüchtig auch immer, war es sicherlich Verrat gewesen, ihr zur Flucht zu verhelfen, und ebenso, einen Befehl der Amyrlin bewusst widerrufen zu haben. Und vielleicht war auch die Verbindung zu al’Thor Verrat. Das hing davon ab, worüber man sich austauschte und zu welchem Zweck. Es wäre schwierig herauszufinden, wer den Befehl widerrufen hatte, wenn man nicht wusste, um welchen Befehl es ging. Zu diesem späten Zeitpunkt war es genauso wenig wahrscheinlich, dass herausgefunden würde, wer Siuan zur Flucht verholfen hatte, wie es wahrscheinlich war, dass man erfuhr, wer vielleicht an al’Thor geschrieben hatte. Jeden Tag flogen so viele Tauben in die Burg und wieder hinaus, dass der Himmel manchmal Federn zu regnen schien. Wenn Elaida mehr wusste, als sie sagte, hatte sie gewiss geschickt darum herumgeredet. Das alles ergab sehr wenig Sinn. Verrat würde Elaida vor Zorn kochen lassen, aber sie war nicht wütend, sondern nervös gewesen. Und bestrebt fortzukommen. Und geheimnisvoll, als wollte sie nicht alles sagen, was sie wusste oder vermutete. Zudem schien sie auch besorgt gewesen. Welche Art Verrat würde Elaida nervös oder besorgt machen? Tod
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