Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
schlief noch immer, aber sein Gesicht schien jetzt weniger blass.
Samitsu schoss so schnell an Narishma vorbei, dass er keine Gelegenheit hatte einzugreifen. »Was habt Ihr getan?«, verlangte sie zu wissen und legte die Finger auf Rands Stirn. Was auch immer sie mit der Macht vorfand – sie wölbte die Brauen, und ihr Tonfall wurde statt herrisch ungläubig. »Was habt Ihr getan?«
Flinn zuckte bedauernd die Achseln. »Nicht viel. Ich konnte nicht wirklich anrühren, was falsch ist. Ich habe die bösen Kräfte in gewisser Weise vor ihm verschlossen, zumindest eine Zeit lang. Es wird nicht anhalten. Sie bekämpfen jetzt einander. Vielleicht werden sie sich gegenseitig töten, während er die restliche Heilung selbst vollzieht.« Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Andererseits kann ich auch nicht sagen, dass sie ihn nicht töten werden. Aber ich glaube, er hat jetzt eine bessere Chance als zuvor.«
Dashiva nickte wichtigtuerisch. »Ja, er hat jetzt eine Chance.« Man hätte glauben können, er hätte die Heilung selbst vollzogen.
Zu Flinns offensichtlicher Überraschung trat Samitsu um das Bett herum und half ihm aufzustehen. »Ihr werdet mir erklären, was Ihr getan habt«, sagte sie, wobei ihr königlicher Tonfall in krassem Widerspruch zu der Art stand, wie ihre flinken Finger den Kragen des alten Mannes richteten und seine Aufschläge glätteten. »Wenn Ihr es mir nur irgendwie zeigen könntet! Aber Ihr werdet es mir beschreiben. Ihr müsst es tun! Ich werde Euch alles Gold geben, das ich besitze, oder Euch ein Kind gebären oder was immer Ihr wollt, aber Ihr werdet mir alles erzählen, was Ihr mir erzählen könnt.« Sie war sich anscheinend selbst im Unklaren, ob sie befahl oder bat, während sie einen sehr verwirrten Flinn hinüber zu den Fenstern führte. Er öffnete den Mund mehr als einmal, aber sie war zu sehr damit beschäftigt, ihn zum Reden zu bringen, um es zu bemerken.
Min kümmerte es nicht, was jedermann dachte; sie kletterte aufs Bett und legte sich so hin, dass sie Rands Kopf unter ihr Kinn nehmen und ihre Arme um ihn legen konnte. Eine Chance. Sie betrachtete verstohlen die drei um das Bett versammelten Menschen. Cadsuane auf ihrem Stuhl, Amys gegenüber von ihr stehend und Dashiva, der an einem der eckigen Pfosten am Fußende des Bettes lehnte, alle mit unlesbaren Auren und um sie herumtanzenden Bildern. Alle beobachteten Rand sehr angespannt. Amys sah zweifellos irgendeine Katastrophe für die Aiel voraus, wenn Rand starb, und Dashiva, der Einzige, der überhaupt einen Ausdruck zeigte – ein düsteres, aber auch besorgtes Stirnrunzeln –, sah eine Katastrophe für die Asha’man voraus. Und Cadsuane … Cadsuane, die Bera und Kiruna nicht nur kannte, sondern sie wegen all ihrer Rand gegenüber geleisteten Eide wie kleine Mädchen zusammenzucken ließ. Cadsuane würde Rand nicht stärker verletzen, ›als es sein musste‹.
Cadsuanes Blick begegnete Mins Blick einen Moment, und Min erschauderte. Sie würde ihn irgendwie beschützen, solange er sich nicht selbst beschützen konnte, vor Amys und Dashiva und Cadsuane. Irgendwie. Sie summte unbewusst ein Wiegenlied und wiegte Rand dabei sanft. Irgendwie.
KAPITEL 37
Eine Nachricht vom Palast
D er Tag nach dem Vogelfest dämmerte mit starken Winden vom Meer der Stürme herauf, welche die Hitze in Ebou Dar tatsächlich durchbrachen. Ein wolkenloser Himmel und die rot-goldene Sonne am Horizont versprachen jedoch neuerliche Hitze, wenn der Wind sich legen würde. Mat eilte durch den Tarasin-Palast, seinen grünen Mantel geöffnet und das Hemd vorahnungsvoll nur halbwegs geschlossen. Er zuckte zwar nicht bei jedem Laut zusammen, aber er erschrak mit erheblich stärker geweiteten Augen, als ihm lieb war, wann immer eine der Dienerinnen vorüberging, ihre Röcke rascheln ließ und ihn anlächelte. Jede Einzelne von ihnen lächelte auf eine besondere … wissende … Art. Es kostete ihn Mühe, nicht zu laufen.
Schließlich verlangsamte er seine Schritte und betrat vorsichtig, fast auf Zehenspitzen, den schattigen Gang, der den Stallhof umsäumte. Zwischen den kannelierten Säulen des Ganges hingen gelbliche, lange schlanke Pflanzen aus großen roten Tontöpfen und Weinranken mit großen, rot gestreiften Blättern aus Metallkörben an Ketten herab, die einen dünnen Schirm bildeten. Er zog sich seinen Hut unbewusst tiefer ins Gesicht. Dann strich er mit den Händen über seinen Speer – ein Ashandarei , hatte Birgitte ihn genannt – und
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