Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
wahrscheinlich auch nicht im Stallhof auftauchen. Er hatte sich sehr leise angezogen, um sie nicht aufzuwecken. Außerdem würde sie hier nichts versuchen. Zumindest glaubte er nicht, dass sie es tun würde. Andererseits – würde die Frau, die ihn gestern Abend in den Gängen von einem halben Dutzend Dienerinnen ergreifen und in ihre Räume zerren ließ, vor irgendetwas zurückschrecken? Die verdammte Frau behandelte ihn wie ein Spielzeug! Er würde sich das nicht mehr gefallen lassen. Er würde es nicht tun. Licht, wen wollte er zum Narren halten? Wenn sie nicht diese Schale der Winde fanden und Ebou Dar verließen, würde Tylin ihn heute Abend erneut in den Hintern zwicken und ihn ihre kleine Taube nennen.
»Es liegt an Eurem Alter, Reanne.« Elayne klang eigentlich nicht zögernd – das tat sie niemals –, aber sie äußerte sich sehr vorsichtig. »Aes Sedai empfinden es als unhöflich, vom Alter zu sprechen, aber … Reanne, seit der Zerstörung der Welt hat offensichtlich keine Aes Sedai so lange gelebt, wie Ihr im Nähkränzchen behauptet.« Das war der seltsame Name, den diese Kusinen ihrem herrschenden Konzil gegeben hatten. »Ihr selbst seid hundert Jahre älter als die älteste Schwester.« Die Rotgürtel keuchten, und ihre Augen weiteten sich. Eine schlanke Frau mit braunen Augen und honigfarbenem Haar kicherte nervös und bedeckte auf Reannes Peitschenhieb hin – ein rasches »Famelle!« – sofort den Mund.
»Das kann nicht sein«, sagte Reanne schwach zu Elayne. »Sicherlich müssen Aes Sedai …«
»Guten Morgen«, sagte Mat und trat – um dem Schirm aus Pflanzen herum. Die ganze Diskussion war idiotisch. Jedermann wusste, dass Aes Sedai länger lebten als jeder andere. Anstatt Zeit zu verschwenden, sollten sie bereits zum Rahad unterwegs sein. »Wo sind Thom und Juilin? Und Nynaeve?« Sie musste gestern Abend zurückgekommen sein, sonst wäre Elayne in Aufruhr gewesen. »Blut und Asche, ich sehe auch Birgitte nicht. Wir sollten schon längst unterwegs sein, Elayne, und nicht hier herumstehen. Kommt Aviendha auch mit?«
Sie sah mit leichtem Stirnrunzeln zunächst ihn, danach ein wenig unsicher Reanne an, und er erkannte, dass sie gerade überlegte, welche Darstellung sie ihm liefern wollte. Die großäugige Unschuld könnte ihr schaden, da sie mit diesen Frauen genauso stand, wie sie mit ihm stehen würde, wenn sie ihm ihr Grübchenlächeln gönnte. Elayne erwartete stets, dass dieses Grübchen wirkte, wenn alles andere fehlschlug. Sie reckte leicht das Kinn. »Thom und Juilin beobachten mit Aviendha und Birgitte Carridins Palast. Und Nynaeve wird gewiss gleich herunterkommen. Es gibt keinen Grund dafür, dass du mitkommen musst, Mat. Nalesean und deine Soldaten bilden eine mehr als angemessene Leibwache. Ihr könnt euch hier im Palast vergnügen, bis wir zurückkommen.«
»Carridin!«, brüllte er. »Elayne, wir sind nicht in Ebou Dar, um die Angelegenheit mit Jaichim Carridin zu regeln. Wir holen die Schale, dann machst du oder Nynaeve ein Wegetor, und wir verschwinden. Ist das klar? Und ich begleite euch zum Rahad.« Sich amüsieren! Nur das Licht wusste, was Tylin sich einfallen lassen würde, wenn er den ganzen Tag im Palast bliebe. Allein der Gedanke daran erweckte in ihm den Wunsch, hysterisch zu lachen.
Eisige Blicke der Heilerinnen durchbohrten ihn. Die stämmige Sumeko schürzte verärgert die Lippen, und Melore, eine rundliche Domani in mittlerem Alter, deren Busen zu beäugen er gestern das Vergnügen hatte, stemmte mit finsterer Miene die Fäuste in die Hüften. Sie hätten von gestern noch wissen sollen, dass Aes Sedai ihn nicht einschüchtern konnten, und doch sah sogar Reanne ihn dermaßen stirnrunzelnd an, dass er halbwegs glaubte, sie würde ihn vielleicht zu ohrfeigen versuchen. Wenn sie sich in der Nähe von Aes Sedai alle miteinander entzweiten, dann mussten das offensichtlich auch alle anderen tun.
Elayne kämpfte sichtlich mit sich. Sie presste die Lippen zusammen, aber eines musste er ihr zugestehen: Sie war zu klug, um mit dem fortzufahren, was anscheinend nicht funktionierte. Andererseits war sie äußerst hochnäsig, auch wenn sie sich bemühte, es nicht zu sein. Die anderen Frauen beobachteten sie. »Mat, du weißt, dass wir Ebou Dar nicht verlassen können, bevor wir die Schale nicht geprüft haben.« Das hochmütige Kinn blieb gereckt, und ihr Tonfall war bestenfalls gönnerhaft. »Es dauert vielleicht Tage, bis wir sicher sind, wie wir sie benutzen können,
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