Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
gesehen, als ihm lieb gewesen war, aber er blieb dennoch unbewusst am Eingang einer Gasse stehen und beobachtete sie. Das Brüllen und die Feuer hatten gezeigt, dass sich jemand in der Stadt zumindest zu wehren versuchte, und jetzt würde er Zeuge eines solchen Versuchs werden.
Die Seanchaner waren nicht der einzige Grund, warum jedermann sonst außer Sicht geeilt war. Am anderen Ende der Straße schwangen gut hundert berittene Männer Speere mit langen Spitzen. Sie trugen bauschige weiße Hosen und grüne Mäntel, und die Goldkordeln am Helm des Befehlshabers glitzerten. Mit einem gemeinsamen Aufschrei warfen sich hundert oder mehr von Tylins Soldaten gegen die Angreifer. Sie waren den Seanchanern mindestens zwei zu eins überlegen.
»Verdammte Narren«, murrte Mat. »Nicht so. Diese Sul’dam wird …«
Die einzige Bewegung unter den Seanchanern erfolgte von der Frau in dem mit Blitzen gekennzeichneten Gewand, die ihre Hand anhob, als würde sie einen Falken fliegen lassen oder einen Hund davonschicken.
Die blonde Frau am anderen Ende der silbrigen Leine machte einen kleinen Schritt vorwärts, und das Fuchskopf-Medaillon an Mats Brust kühlte ab.
Die Straße brach unter der Spitze des Ebou-Dari-Ansturms plötzlich auf, und Pflastersteine und Menschen und Pferde flogen mit ohrenbetäubendem Brüllen durch die Luft. Die Erschütterung warf Mat flach auf den Rücken, oder vielleicht geschah es auch dadurch, dass der Boden unter seinen Füßen aufsprang. Er zog sich gerade rechtzeitig hoch, um ein Gasthaus auf der anderen Straßenseite jäh in einer Staubwolke einstürzen zu sehen, sodass die Innenräume freigelegt wurden.
Rund um eine Öffnung im Boden, die halb so breit wie die Straße war, lagen überall Menschen und Pferde oder Teile davon, und wer noch lebte, schlug um sich. Schreie der Verwundeten erfüllten die Luft. Weniger als die Hälfte der Ebou Dari kam taumelnd, benommen und strauchelnd auf die Füße. Einige ergriffen zitternd die Zügel von Pferden, mühten sich in die Sättel und trieben die Tiere zu einem Trab an. Andere liefen zu Fuß davon. Alle wollten fort von den Seanchanern. Stahl konnten sie trotzen, aber dem nicht.
Mat erkannte, dass Davonlaufen im Moment eine ausgesprochen gute Idee war. Ein Blick zurück die Gasse hinab zeigte ihm Staub und Schutt in mindestens einem Stockwerk Höhe. Er rannte vor den fliehenden Ebou Dari die Straße hinab, hielt sich so nahe an den Mauern wie möglich und hoffte, dass keiner der Seanchaner ihn für einen von Tylins Soldaten hielt. Er hätte niemals einen grünen Mantel tragen sollen.
Die Sul’dam war offensichtlich noch nicht zufrieden. Der Fuchskopf kühlte erneut ab, und ein weiteres Dröhnen warf ihn erneut aufs Pflaster, das ihm entgegenkam. Er hörte durch das Klingen in seinen Ohren hindurch Mauerwerk ächzen. Die weiß verputzte Ziegelwand über ihm begann sich nach außen zu neigen.
»Was ist aus meinem verdammten Glück geworden?«, schrie er. Und dann hatte er gerade noch genug Zeit, um zu erkennen, wie Ziegelsteine und Balken so heftig auf ihn herniederprasselten, dass die Würfel in seinem Kopf einfach anhielten.
KAPITEL 40
Speere
B erge stiegen rund um Galina Casban auf, oder eher hohe Hügel hinter vorausliegenden schneebedeckten Gipfeln, hinter denen wiederum höhere Gipfel lagen, aber sie sah in Wahrheit nichts von alledem. Die Steine des Hangs schmerzten an ihren bloßen Füßen. Sie keuchte, und ihre Lungen litten bereits. Die Sonne brannte über ihr wie schon scheinbar endlose Tage lang, brannte den Schweiß in Strömen aus ihr heraus. Alles andere als einen Fuß vor den anderen zu setzen, schien zu viel für sie. Seltsam, dass ihr Mund trotz all des aus ihr hervorströmenden Schweißes trocken war.
Sie war noch keine neunzig Jahre Aes Sedai, ihr langes, schwarzes Haar noch von Grau unberührt, aber sie war seit fast zwanzig Jahren das Oberhaupt der Roten Ajah – von den anderen Roten Schwestern inoffiziell die Höchste genannt und von Roten als dem Amyrlin-Sitz gleichgestellt angesehen –, und nur während fünf dieser Jahre, in denen sie die Stola trug, hatte sie in Wahrheit der Schwarzen Ajah angehört. Nicht unter Ausschluss ihrer Pflichten als Rote, sondern darüber hinaus. Ihr Platz im Höchsten Konzil der Schwarzen Ajah befand sich neben Alviarin selbst, und sie war eine der einzigen Drei, die den Namen der Frau kannten, die ihre verdeckten Treffen leitete. Sie konnte bei jenen Treffen jeden Namen aussprechen –
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