Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
Blutvergießen gesehen, wo weniger Anspannung geherrscht hatte.
Renaile din Calon, gekleidet in roter und gelber Seide, die Arme überheblich unter den Brüsten verschränkt, stand vor neunzehn weiteren barfüßigen Frauen mit tätowierten Händen und bunten Blusen, die meisten mit ebenso bunten Hosen und Schärpen. Der auf ihren dunklen Gesichtern glänzende Schweiß tat ihrer ernsten Würde keinen Abbruch. Einige schnupperten an durchbrochenen Golddosen, die um ihren Hals hingen und mit einem schweren Duft gefüllt waren. Renaile din Calon trug fünf breite goldene Ohrringe, und an einer Kette, die von einem dieser Ringe über die linke Wange bis zur Nase verlief, hingen Medaillons. Jede der drei dicht hinter ihr befindlichen Frauen trug acht Ohrringe und nur geringfügig weniger Medaillons. So kennzeichnete das Meervolk untereinander die Ränge, zumindest bei den Frauen. Alle beugten sich Renaile din Calon, der Windsucherin der Herrin der Schiffe der Atha’an Miere, aber selbst die beiden Neulinge im Hintergrund in ihren dunklen Hosen und leinenen anstatt seidenen Blusen trugen eigenes Gold. Als Aviendha und die Übrigen erschienen, schaute Renaile din Calon betont zur Sonne, die den Zenit bereits überschritten hatte. Sie wölbte die Augenbrauen, während sie ihren Blick dann auf sie richtete, die Augen so schwarz wie ihr von einer weißen Strähne gezeichnetes Haar, ein fordernder Blick voller Ungeduld, der herrisch wirkte.
Elayne und Nynaeve blieben jäh stehen und zwangen so auch Aviendha zu einem abrupten Halt. Sie wechselten an ihr vorbei besorgte Blicke und seufzten tief. Aviendha sah nicht, wie sie entkommen sollten. Die Verpflichtung band ihrer Nächstschwester und Nynaeve Hand und Fuß, und sie selbst hatten die Knoten festgezurrt.
»Ich werde mich um das Nähkränzchen kümmern«, murrte Nynaeve leise, und Elayne sagte ein wenig beherzter: »Ich werde sicherstellen, dass die Schwestern bereit sind.«
Sie ließen Aviendhas Arme los und gingen in entgegengesetzte Richtungen davon, wobei sie die Röcke rafften, um mit Birgitte und Lan im Gefolge rasch ausschreiten zu können. So musste sich Aviendha dem Blick der Windsucherin der Herrin der Schiffe allein stellen, dem Adlerblick einer Frau, die um ihre Stellung wusste, aus der sie nicht vertrieben werden konnte. Glücklicherweise wandte sich Renaile din Calon rasch an ihre Begleiter, so rasch, dass die Enden ihrer langen gelben Schärpe weit schwangen. Die anderen Windsucherinnen versammelten sich um sie, bestrebt, ihre eindringlichen Worte zu hören. Sie auch nur einmal zu schlagen, würde gewiss alles verderben. Aviendha versuchte, nicht zu ihnen zu schauen, aber ihr Blick kehrte doch immer wieder zu ihnen zurück. Niemand hatte das Recht, ihre Nächstschwester in eine schwierige Lage zu bringen. Nasenringe! Ein kräftiger Zug an dieser Kette, und Renaile din Calon Blauer Stern würde eine andere Miene zeigen.
An einem Ende des Stallhofs standen die kleine Merilille Ceandevin und vier weitere Aes Sedai dicht beisammen und beobachteten die Windsucherinnen ebenfalls, überwiegend mit hinter kühler Gelassenheit schlecht verhülltem Verdruss. Selbst die schlanke weißhaarige Vandene Namelle und ihre wie ihr Spiegelbild aussehende Erstschwester Adeleas, die sonst am unerschütterlichsten von allen wirkte. Die eine oder andere richtete hin und wieder einen dünnen Leinenstaubmantel oder strich über geteilte Seidenröcke. Plötzliche Windstöße wirbelten ein wenig Staub auf und bewegten die farbverändernden Umhänge auf den Rücken der fünf Behüter, aber auch ihre Bewegungen zeugten eindeutig von Verdrossenheit. Nur Sareitha, die ein scheibenförmiges weißes Bündel bewachte, regte sich nicht, sondern runzelte nur die Stirn. Die Aes Sedai missbilligten den Vertrag heftig, der die Atha’an Miere von ihren Schiffen hierhergebracht hatte und ihnen das Recht verlieh, Aes Sedai mit fordernder Ungeduld zu betrachten, aber dieser Vertrag band auch die Zungen der Schwestern und ließ sie an ihrer eigenen Verärgerung fast ersticken, was sie jedoch zu verbergen versuchten. Den Feuchtländern gegenüber hätte ihnen das vielleicht auch gelingen können. Die dritte Gruppe Frauen, die am entgegengesetzten Ende des Hofes eng zusammenstanden, wurde fast ebenso misstrauisch betrachtet.
Reanne Corly und die anderen zehn Überlebenden des Nähkränzchens der Kusinen regten sich unter diesen missbilligenden und forschenden Blicken unbehaglich, betupften ihre
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