Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
krachte der Donner.
Dyelin warf einen Blick auf Birgitte und befeuchtete sich die Lippen. Unbewusst zupfte sie an ihren Röcken herum. Es gab nur wenig, das ihr Angst einjagte, aber die Geschichten über die Seanchaner hatten es geschafft. Doch dann murmelte sie, als würde sie mit sich selbst sprechen: »Ich hatte gehofft, einen Bürgerkrieg verhindern zu können.« Und das bedeutete möglicherweise gar nichts, oder aber alles! Vielleicht würde etwas Nachhaken zutage bringen, was davon stimmte.
»Gawyn«, sagte Birgitte plötzlich. Ihre Miene hatte sich aufgehellt, das Gleiche galt für die Gefühle, die durch den Bund strömten. Erleichterung trat eindeutig hervor. »Wenn er kommt, wird er den Befehl übernehmen. Er wird dein Erster Prinz des Schwertes.«
»Muttermilch in einer Tasse!«, fauchte Elayne, und in den Fenstern flackerte das Licht eines Blitzschlags, als wollte er die Worte unterstreichen. Warum musste die Frau ausgerechnet jetzt das Thema wechseln? Dyelin zuckte zusammen und Hitze schoss in Elaynes Gesicht. Der weit offen stehende Mund der älteren Frau verriet, wie derb der Fluch gewesen war. Irgendwie war das auf seltsame Weise peinlich; dass Dyelin eine Freundin ihrer Mutter gewesen war, hätte eigentlich nichts ausmachen dürfen. Ohne nachzudenken nahm Elayne einen großen Schluck Wein – und der bittere Geschmack ließ sie fast würgen. Schnell unterdrückte sie das aufsteigende Bild Linis, die ihr drohte, den Mund mit Seife auszuwaschen, und rief sich ins Gedächtnis zurück, dass sie eine erwachsene Frau war, die einen Thron für sich gewinnen wollte. Sie bezweifelte, dass ihre Mutter sich je so oft so albern vorgekommen war.
»Ja, das wird er, Birgitte«, fuhr sie etwas ruhiger fort. »Wenn er kommt.« Drei Kuriere waren auf dem Weg nach Tar Valon. Selbst wenn keiner von ihnen es schaffte, an Elaida vorbeizukommen, würde Gawyn schließlich erfahren, dass sie ihren Thronanspruch geltend gemacht hatte, und er würde kommen. Sie brauchte ihn um jeden Preis. Sie hegte keinerlei Illusionen, wie sie als Befehlshaberin sein würde, und Birgitte hatte so viel Angst, den Legenden über sie nicht gerecht zu werden, dass sie manchmal davor zurückschreckte, es überhaupt zu versuchen. Sich einer Armee entgegenzustellen, das ja, aber eine Armee anzuführen, niemals!
Birgitte war sich der Verwirrung in ihrem Inneren durchaus bewusst. In genau diesem Augenblick war ihr Gesicht erstarrt, aber ihre Gefühle waren voller Verlegenheit und Selbsthass, und das Letzte wurde zusehends stärker. Elayne verspürte einen Anflug von Gereiztheit, aber dann öffnete sie den Mund, um Dyelins Bemerkung über einen Bürgerkrieg wieder aufzugreifen, bevor sie anfing, über Birgittes Wut nachzusinnen.
Doch bevor sie ein Wort äußern konnte, öffneten sich die hohen roten Flügeltüren. Ihre Hoffnung, dass es sich um Nynaeve und Vandene handelte, wurde beim Anblick zweier Meervolk-Frauen zerschlagen, die trotz des Wetters barfuß gingen.
Eine nach Moschus duftende Parfümwolke schwebte ihnen voraus; sie selbst boten eine Prozession aus Seidenhosen mit hellen Brokatmustern und Blusen, juwelenbesetzten Dolchen und Ketten aus Gold und Elfenbein. Und noch mehr Schmuck. Das glatte schwarze Haar, das sich an Renaile din Calons Schläfen weiß färbte, verbarg die zehn kleinen, massiven Goldohrringe, aber die Arroganz, die in ihren schwarzen Augen lag, war so deutlich zu sehen wie die mit Medaillons behängte Goldkette, die sich von einem Ohrring zu ihrem Nasenring spannte. Ihr Gesicht zeigte Entschlossenheit, und obwohl ihr Gang anmutig war, schien sie bereit zu sein, geradewegs durch eine Wand hindurchzugehen.
Zaida din Parede war fast eine Handbreit kleiner als ihre Begleiterin und hatte auf der linken Wange fast doppelt so viele goldene Medaillons hängen; sie strahlte eher Autorität denn Arroganz aus, die Gewissheit, dass man ihr gehorchte. Ihre dichten schwarzen Locken waren grau gesprenkelt, dennoch war sie atemberaubend, eine jener Frauen, die mit zunehmendem Alter immer schöner wurden.
Dyelin zuckte bei ihrem Anblick zusammen und hatte die Hand fast schon bis zur Nase erhoben, bevor sie sich bremsen konnte. Eine durchaus übliche Reaktion bei Leuten, die nicht an das Atha’an Miere gewöhnt waren. Elayne verzog das Gesicht, jedoch nicht wegen ihrer Nasenringe. Sie suchte nach einem anderen Fluch, der noch … kraftvoller war. Von den Verlorenen einmal abgesehen, hätte sie keine zwei Menschen benennen können,
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