Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
in eine Wachtrance zu versetzen, also ist die Angelegenheit damit erledigt.« Sie lächelte selbstzufrieden und siegessicher. Der Versuch, sich in jene Wachtrance zu versetzen, die Egwene ihnen beizubringen versucht hatte, hatte sie nur schwindelig und benommen gemacht.
»Da gehst du jede Wette ein, ja?«, murmelte Elayne. »Was willst du wetten? Weil ich entschlossen bin, das da zu trinken« – sie warf dem Silberbecher auf dem Nachttisch einen Blick zu – »und ich wette, dass ich sofort einschlafe. Wenn du natürlich nichts hineingetan hast, wenn du nicht versuchst, mich mit einem Trick dazu zu bringen, es zu trinken … Nun, aber natürlich würdest du das nicht tun. Also, worum wollen wir wetten?«
Das unerträgliche Lächeln verschwand schlagartig von Nynaeves Gesicht und wurde von hellroten Punkten auf den Wangen ersetzt.
»Eine schöne Idee«, sagte Birgitte und stand auf. Mit in die Hüften gestemmten Händen baute sie sich am Bettende auf und ihr Gesicht und Tonfall verrieten gleichermaßen Missbilligung. »Die Frau hat dich vor einem verdorbenen Magen bewahrt und du benimmst dich wie eine verzogene kleine Lady. Wenn du diesen Becher austrinkst und einschläfst und heute Nacht darauf verzichtest, in der Welt der Träume herumzustreifen, erkläre ich dich für erwachsen genug, dass ich weniger als hundert Gardistinnen für nötig erachte, um dich am Leben zu halten. Oder muss ich dir die Nase zuhalten, damit du trinkst?« Nun, Elayne hatte auch nicht damit gerechnet, dass sich Birgitte lange zurückhalten würde. Weniger als einhundert?
Aviendha wirbelte zu Birgitte herum, bevor sie geendet hatte, und wartete kaum ab, bis sie das letzte Wort gesagt hatte. »Birgitte Trahelion, du solltest nicht so zu ihr sprechen«, sagte sie und richtete sich auf, um den Vorteil ihrer überragenden Größe voll ausnutzen zu können. Zog man die hohen Absätze von Birgittes Stiefeln in Betracht, machte es keinen großen Unterschied, aber mit dem eng über den Brüsten zusammengezogenen Schultertuch sah sie eher wie eine Weise Frau als wie eine Schülerin aus. Einige von ihnen hatten ein Gesicht, das nicht viel älter als das ihre aussah. »Du bist ihre Behüterin. Frage Aan’allein, wie man sich zu benehmen hat. Er ist ein großer Mann, doch er gehorcht Nynaeves Befehlen.« Aan’allein war Lan. Der Mann, der allein seinen Weg ging. Seine Geschichte war unter den Aiel wohlbekannt und bewundert.
Birgitte musterte sie von oben bis unten, als würde sie Maß nehmen, und nahm eine entspannte Pose ein, die die zusätzlichen Zentimeter ihrer Stiefelabsätze fast wieder zunichtemachte. Sie öffnete mit einem spöttischen Grinsen den Mund, offensichtlich bereit, Aviendha zum Platzen zu bringen, wenn es ihr gelang. Normalerweise gelang es ihr. Bevor sie ein Wort sagen konnte, ergriff Nynaeve leise, doch ziemlich entschieden das Wort.
»Oh, bei aller Liebe des Lichts, hör auf, Birgitte. Wenn Elayne sagt, sie geht, dann geht sie. Und jetzt will ich kein Wort mehr hören.« Sie stieß mit dem Finger in Richtung der anderen Frau. »Oder wir beide werden uns später unter vier Augen unterhalten.«
Birgitte starre Nynaeve an, ihre Lippen bewegten sich stumm, der Behüterbund übermittelte eine intensive Mischung aus Gereiztheit und Frustration. Schließlich ließ sie sich wieder in ihren Stuhl fallen, spreizte die Beine, balancierte die Stiefel auf den löwenköpfigen Sporen und murmelte mürrisch vor sich hin. Hätte Elayne sie nicht besser gekannt, hätte sie angenommen, sie würde schmollen. Sie wünschte, sie hätte gewusst, wie Nynaeve das machte. Einst hatte Nynaeve genauso viel Ehrfurcht vor Birgitte gehabt, als Aviendha jemals haben würde, aber das hatte sich geändert. Völlig. Jetzt schubste sie Birgitte genauso herum wie die anderen. Und erfolgreicher als so mancher. Sie ist eine ganz normale Frau, hatte Nynaeve gesagt. Das hat sie mir selbst gesagt, und ich habe erkannt, dass sie recht hatte. Als würde das etwas erklären. Birgitte war immer noch Birgitte.
»Meine Tasche?«, fragte Elayne, und ausgerechnet Birgitte war es, die aufstand, um die goldbestickte rote Gürteltasche aus dem Ankleideraum zu holen. Nun, Behüterinnen taten solche Dinge, doch für gewöhnlich machte Birgitte eine Bemerkung, wenn sie es tat. Aber vielleicht sollte ihre Rückkehr dazu dienen. Sie überreichte Elayne die Tasche mit einer anmutigen Verbeugung und schenkte Nynaeve und Aviendha ein spöttisches Verziehen der Lippen. Elayne
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