Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
mit gelben Fransen versehene Stola lag in ihren Ellenbeugen. »Am besten wären ein paar Tage Ruhe, um wieder zu Kräften zu kommen.« Sie bedachte die Lederflaschen auf dem Boden mit einem Stirnrunzeln. »Und du musst dich warm halten. Es ist besser, ein Fieber zu vermeiden, als es Heilen zu müssen.«
»Ich glaube, Dyelin hat heute ihre Loyalität bewiesen«, sagte Elayne und zog die Kopfkissen zurecht, damit sie sich gegen das Kopfteil lehnen konnte. Nynaeve warf angewidert die Hände hoch. Auf einem der Nachttische stand ein kleines Silbertablett mit einem silbernen Becher, der dunklen Wein enthielt. Elayne warf ihm einen misstrauischen Blick zu. »Auf eine harte Art und Weise. Aviendha, ich glaube, ich schulde ihr Toh .«
Aviendha zuckte mit den Schultern. Nach ihrer Ankunft in Caemlyn hatte sie sich mit beinahe lächerlicher Hast auf Aiel-Kleider gestürzt und Seide gegen Algode -Blusen und dicke Wollröcke getauscht, so als würde Feuchtländer-Luxus sie ängstigen. Mit dem dunklen Schultertuch, das sie zusammengefaltet um die Taille geknotet hatte, und dem dunklen Tuch, mit dem ihr Haar zusammengebunden war, bot sie das perfekte Bild der Schülerin einer Weisen Frau, auch wenn ihr einziger Schmuck aus einer Halskette bestand, einer komplizierten Silberschmiedearbeit aus miteinander verbundenen Scheiben; es war ein Geschenk von Egwene. Elayne konnte ihre Eile noch immer nicht verstehen. Solange sie die Kleidung der Feuchtländer trug, hatten Melaine und die anderen scheinbar nichts dagegen einzuwenden gehabt, dass sie ihren eigenen Weg ging, aber jetzt hatten sie Aviendha wieder so fest im Griff wie die Aes Sedai ihre Novizinnen. Es gab nur einen Grund, warum sie ihr überhaupt erlaubten, im Palast – oder in der Stadt, was das anging – zu bleiben: Elayne und sie waren Erstschwestern.
»Wenn du das glaubst, dann tust du es auch.« Ihr Tonfall, mit dem sie das Offensichtliche erklärte, verwandelte sich zu liebevoller Schelte. »Aber nur ein kleines Toh , Elayne. Du hattest Gründe für deinen Zweifel. Du kannst dich nicht für jeden Gedanken verpflichtet fühlen, Schwester.« Sie lachte, als wäre ihr plötzlich ein wunderbarer Witz klar geworden. »Auf diesem Weg liegt zu viel Stolz, und ich muss dann wegen allem, was du tust, übermäßigen Stolz zeigen, aber die Weisen Frauen werden dich dafür nicht zur Rechenschaft ziehen können.«
Nynaeve rollte demonstrativ mit den Augen, aber Aviendha schüttelte bloß den Kopf und nahm die Unwissenheit der anderen Frau mit resignierter Geduld auf. Sie hatte bei den Weisen Frauen mehr als nur den Umgang mit der Macht studiert.
»Nun, das können wir wirklich nicht zulassen, dass ihr beiden zu stolz seid«, sagte Birgitte mit einem Unterton, der verdächtig nach unterdrückter Heiterkeit klang. Ihr Gesicht war viel zu reglos, beinahe erstarrt vor Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen.
Aviendha betrachtete Birgitte ausdruckslos und voller Vorsicht. Seit Elayne und sie einander adoptiert hatten, hatte auch Birgitte sie in gewisser Weise adoptiert. Nicht als Behüterin, das nicht, aber sie behandelte sie manchmal, als wäre sie ihre ältere Schwester, wie sie es oft bei Elayne tat. Aviendha wusste nicht genau, was sie davon halten sollte. Die Aufnahme in den kleinen Kreis, der wusste, wer Birgitte in Wirklichkeit war, hatte mit Sicherheit nicht geholfen. Sie schwankte zwischen wilder Entschlossenheit, allen zu zeigen, dass Birgitte Silberbogen sie nicht einschüchterte, und allen möglichen seltsamen Reaktionen bis hin zu überraschender Nachgiebigkeit.
Birgitte lächelte sie an, es war ein amüsiertes Lächeln, aber es verblasste, als sie ein kleines Bündel vom Schoß hochhob und es mit großer Vorsicht zu öffnen begann. Als sie schließlich einen Dolch mit einem lederumwickelten Griff und einer langen Klinge enthüllte, war ihre Miene ernst, und kontrollierter Zorn floss durch den Bund. Elayne erkannte das Messer auf der Stelle; zuletzt hatte sie seinen Zwilling in der Hand eines strohblonden Attentäters gesehen.
»Sie wollten dich nicht entführen, Schwester«, sagte Aviendha leise.
Birgittes Tonfall war grimmig. »Nachdem Mellar die ersten beiden getötet hat – den Zweiten spießte er mit seinem Schwert auf, das er quer durch den Raum warf, wie in der Geschichte eines verdammten Spielmanns« – sie hielt den Dolch am Griff in die Höhe – »hat er den hier dem letzten Burschen abgenommen und ihn damit getötet. Sie hatten vier fast identische Dolche.
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