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Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)

Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Tel’aran’rhiod . Hier schien der verdrehte Steinring, der in der Welt der Wachenden viel zu schwer für seine Größe zu sein schien, leicht genug zu sein, um zwischen ihren Brüsten hervorzuschweben. Natürlich gab es Licht, das von überall zugleich und von nirgendwo herzukommen schien. Es glich keinem Sonnenlicht, auch keinem Lampenlicht, aber selbst wenn es hier Nacht war, gab es immer noch genug von diesem seltsamen Licht, um etwas erkennen zu können. Wie in einem Traum. Das ständig gegenwärtige Gefühl, von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden, war nicht wie im Traum – eher wie in einem Albtraum, aber daran hatte sie sich gewöhnt.
    Im Großen Saal wurden prächtige Audienzen abgehalten, ausländische Botschafter empfangen und den versammelten Würdenträgern wichtige Verträge und Kriegserklärungen verkündet; das lang gezogene Gemach passte zu seinem Namen und seiner Funktion. Jetzt, da es menschenleer war, erschien es wie eine Höhle. Zwei Reihen leuchtender weißer Säulen, die zehn Spannen hoch waren, säumten den Raum, und an einem Ende stand der Löwenthron auf einem Marmorpodest, dessen weiße Stufen, die von dem mit roten und weißen Fliesen ausgelegten Boden hinaufführten, mit rotem Teppich belegt waren. Der Thron hatte die richtige Größe für eine Frau, war aber mit den Beinen, die in stämmigen geschnitzten und vergoldeten Löwenpranken endeten, durchaus massiv; oben auf der hohen Lehne stach der aus Mondsteinen gefertigte Weiße Löwe aus einem Feld aus Rubinen hervor und verkündete allen, dass derjenige, der hier saß, eine mächtige Nation beherrschte. Aus hoch oben in der Kuppeldecke eingesetzten bunten Fenstern blickten die Königinnen, die Andor gegründet hatten, in die Tiefe; ihre Bilder wechselten sich mit dem Weißen Löwen und Szenen aus den Schlachten ab, die sie ausgefochten hatten, um Andor aus einer unbedeutenden Stadt in Artur Falkenflügels zerbrechendem Reich zu dieser Nation zu machen. Viele Länder, die aus dem Hundertjährigen Krieg hervorgegangen waren, gab es nicht mehr, aber Andor hatte die seitdem vergangenen tausend Jahre überstanden und war aufgeblüht. Manchmal hatte Elayne das Gefühl, dass diese Portraits sie einschätzten und für wert befanden, in ihre Fußstapfen zu treten.
    Sie hatte sich kaum im Großen Saal eingefunden, als eine andere Frau auf dem Löwenthron erschien, eine dunkelhaarige junge Frau in fließender roter Seide, deren Ärmel und Säume mit silbernen Löwen bestickt waren, die eine Kette aus Feuertropfen so groß wie Taubeneier um den Hals trug und auf deren Kopf die Rosenkrone saß. Eine Hand leicht auf dem Löwenkopf am Ende der Thronlehne ruhend, ließ sie majestätisch den Blick durch den Saal schweifen. Dann entdeckte sie Elayne und zusammen mit Verwirrung kam die Erinnerung. Krone, Feuertropfen und Seide verschwanden, um von einfacher Wolle und einer langen Schürze ersetzt zu werden. Einen Augenblick später verschwand auch die junge Frau.
    Elayne lächelte amüsiert. Selbst Tellerwäscherinnen träumten davon, auf dem Löwenthron zu sitzen. Hoffentlich war das Mädchen wegen der erlebten Überraschung nicht voller Furcht aufgewacht oder zumindest in einen anderen schönen Traum übergewechselt. Einen sichereren Traum als im Tel’aran’rhiod .
    Im Thronsaal veränderten sich andere Dinge. Die kunstvollen Kandelaber, die in Reihen das Gemach säumten, schienen zu vibrieren. Die großen Flügeltüren standen in dem einen Augenblick offen, im nächsten waren sie wieder geschlossen. Nur Dinge, die für lange Zeit an ein und demselben Ort gestanden hatten, hatten in der Welt der Träume eine permanente Spiegelung.
    Elayne stellte sich einen Spiegel vor und schon stand er vor ihr und zeigte ihr Abbild in einem hochgeschlossenen grünen Seidengewand, dessen Oberteil mit silbernen Mustern geschmückt war, mit Smaragdohrringen und kleineren Smaragden, die in ihre rotblonden Locken geflochten waren. Sie ließ die Smaragde aus ihrem Haar verschwinden und nickte. So passte es zu einer Tochter-Erbin und war nicht zu auffällig. Hier musste man vorsichtig sein, wie man sich selbst vorstellte, sonst … Ihr bescheidenes grünes Seidengewand wurde zu den eng anliegenden Falten einer tarabonischen Tracht, blitzte auf und wich dunklen, weit geschnittenen Meervolk-Hosen und nackten Füßen, komplett mit goldenen Ohrringen und Nasenring und einer Kette voller Medaillons und sogar dunklen Tätowierungen auf den Händen. Aber ohne Bluse, so wie

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