Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
um aus der Brust hervorzubrechen. Sie kämpfte vergeblich um Ruhe und ertastete sich einen anderen Weg zum Rand, strich darüber, ohne zu versuchen, daran vorbeizugehen. An einer Stelle fühlte er sich … weicher an. Das war ihr zuvor noch nie aufgefallen. Die weiche Stelle – eine kleine Erhebung? – schien sich auf keine Weise vom Rest zu unterscheiden und sie war auch nicht viel weicher, trotzdem warf sie sich dagegen. Und fand sich in der Mitte wieder. Wie eine Verrückte warf sie sich mit ihrer ganzen Kraft gegen die weiche Stelle, immer wieder, und wurde jedes Mal zurück zur Mitte geschleudert – aber ohne zu zögern warf sie sich erneut dagegen. Und wieder. Oh, Licht! Bitte! Sie musste es schaffen, bevor …
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Zaida noch nicht fünf gesagt hatte. Sie starrte sie an, schnappte dabei nach Luft, als wäre sie zehn Meilen gerannt. Schweiß strömte über ihr Gesicht, ihren Rücken hinunter. Er rann zwischen ihren Brüsten herab über ihren Leib. Ihre Knie zitterten. Die Herrin der Wogen blickte ihr direkt in die Augen, klopfte gedankenverloren mit einem schlanken Finger gegen die vollen Lippen. Der Zirkel aus sechs wurde noch immer von dem Schimmer eingehüllt, Kurin hätte noch immer eine verächtliche Statue sein können, aber Zaida hatte noch nicht fünf gesagt.
»Hat sie sich wirklich so hart angestrengt, wie es den Anschein hatte, Kurin?«, fragte die Herrin der Wogen schließlich, »oder war das Aufbäumen und Wimmern nur ein Schauspiel?« Nynaeve versuchte einen entrüsteten Blick zustande zu bringen. Sie hatte nicht gewimmert! Oder etwa doch? Ihr Stirnrunzeln, soweit man es als solches bezeichnen konnte, machte auf Zaida nicht mehr Eindruck als Regen auf einen Felsblock.
»Mit dieser Anstrengung«, sagte Kurin zögernd, »hätte sie ein Ruderboot auf dem Rücken tragen können.« Aber die schwarzen Kiesel, die ihre Augen darstellten, zeigten noch immer Verachtung. Respekt kannte sie nur für diejenigen, die auf dem Meer lebten.
»Lass sie los, Talaan«, befahl Zaida. Die Abschirmung und die Fesseln lösten sich auf, während die Frauen zu den Stühlen zurückgingen, ohne einen weiteren Blick für Nynaeve zu erübrigen. »Windsucherinnen, ich werde noch mit euch sprechen, nachdem sie gegangen ist. Nynaeve Sedai, Euch sehe ich morgen zur selben Stunde.«
Nynaeve strich ihre zerknitterten Röcke glatt und schüttelte gereizt die Stola aus, während sie versuchte, etwas Würde zurückzugewinnen. Schweißgebadet und mit zitternden Gliedern war das nicht einfach. Auf keinen Fall hatte sie gewimmert! Sie bemühte sich, die Frau, die sie abgeschirmt hatte – und das zwei Mal! – nicht anzusehen. Talaan stand da, als könnte sie kein Wässerchen trüben, den Blick fest auf den Teppich gerichtet. Ha! Nynaeve legte sich energisch das Tuch über die Schultern. »Morgen ist Sareitha Sedai an der Reihe, Herrin der Wogen.« Zumindest ihre Stimme klang fest. »Ich werde beschäftigt sein …«
»Euer Unterricht ist befriedigender als die Lektionen der anderen«, sagte Zaida, die sich noch immer nicht die Mühe machte, sie anzusehen. »Zur selben Stunde, oder ich schicke Eure Schülerinnen, um Euch zu holen. Ihr dürft gehen.« Und das klang wie ein Befehl.
Mühsam schluckte Nynaeve ihre Einwände runter. Sie hinterließen einen bitteren Nachgeschmack. Befriedigender? Was sollte das denn bedeuten? Sie glaubte nicht, dass sie es tatsächlich wissen wollte.
Bis sie den Raum verlassen hatte, war sie ihre Lehrerin, das Meervolk hielt sich streng an seine Regeln; vermutlich konnte lockere Disziplin an Bord von Schiffen Schwierigkeiten heraufbeschwören, aber sie wünschte sich, sie würden begreifen, dass sie sich nicht auf ihren Schiffen befanden. Noch war sie also die Lehrerin, und das bedeutete, dass sie nicht einfach beleidigt hinausstolzieren konnte, sosehr sie sich das auch wünschte. Schlimmer, ihre Regeln waren ziemlich eindeutig, was Lehrer der Küstenbewohner betraf. Vermutlich hätte sie einfach ihre Mitarbeit verweigern können, aber wenn sie ihren Vertrag auch nur um eine Winzigkeit verletzte, würden es diese Frauen von Tear bis das Licht wusste wohin verbreiten! Die ganze Welt würde wissen, dass Aes Sedai ihr Wort gebrochen hatten. Man durfte gar nicht darüber nachdenken, was dies für die Stellung der Aes Sedai bedeuten würde. Blut und Asche! Egwene hatte recht und sie sollte verdammt sein!
»Danke, Herrin der Wogen, dass Ihr mir erlaubt habt, Euch zu
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