Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
geworden war, wie er so viele Saa so schnell gesammelt hatte. Er selbst hatte die Wahre Quelle nie angefasst, es sei denn in größter Bedrängnis. Natürlich hatte jetzt allein Moridin dieses Privileg, seit seiner … Salbung. Der Mann musste wirklich wahnsinnig sein, um sie unbedacht zu verwenden. Sie war eine Droge, noch Sucht erzeugender als Saidin , tödlicher als jedes Gift.
Moridin trat auf Osan’gar zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. Das Saa ließ sein Lächeln noch Unheil verkündender erscheinen. Der kleinere Mann schluckte und erwiderte das Lächeln unsicher. »Es ist gut, dass Ihr nie in Erwägung gezogen habt, den Schatten des Großen Herrn zu entfernen«, sagte Moridin leise. Wie lange hatte er draußen gestanden? Osan’gars Lächeln wurde noch eine Spur kränklicher. »Al’Thor ist nicht so klug wie Ihr. Erzählt es ihnen, Cyndane.«
Die kleine Frau richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Vom Gesicht und ihrer Figur her war sie eine süße Pflaume, die nur darauf wartete, gepflückt zu werden, aber ihre großen blauen Augen waren wie ein Gletscher. Vielleicht ein Pfirsich. In diesem Zeitalter waren Pfirsiche giftig. »Ich schätze, ihr erinnert euch an die Choedan Kal.« Keine noch so große Anstrengung hätte diese tiefe, atemlose Stimme irgendwie anders als erotisch klingen lassen, aber ihr gelang es, sie mit einem sarkastischen Tonfall zu unterlegen. »Lews Therin hat zwei der Zugangsschlüssel, einen für jeden. Und er kennt eine Frau, die stark genug ist, den weiblichen der beiden zu benutzen. Er plant, die Choedan Kal für seine Tat zu verwenden.«
Auf der Stelle redeten alle durcheinander.
»Ich dachte, sämtliche Schlüssel wären zerstört!«, rief Aran’gar und sprang auf die Füße. Ihre Augen waren vor Furcht weit aufgerissen. »Er könnte die Welt zerstören, wenn er auch nur versucht, die Choedan Kal zu benutzen!«
»Hättet Ihr jemals etwas anderes als historische Abhandlungen gelesen, dann wüsstet Ihr, dass es so gut wie unmöglich ist, sie zu zerstören!«, fauchte Osan’gar sie an. Aber er riss an seinem Kragen, als wäre er zu eng, und seine Augen schienen bereit, ihm gleich aus dem Kopf zu fallen. »Woher will dieses Mädchen wissen, dass er sie hat? Woher?«
Cyndane hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als Graendal auch schon ihr Weinglas hatte fallen lassen und es über den Boden gerollt war. Ihr Gewand wurde so scharlachrot wie frisch vergossenes Blut, und ihr Mund verzerrte sich, als müsste sie sich übergeben. »Und Ihr habt gehofft, ihm zufällig über den Weg zu laufen!«, schrie sie Demandred an. »Hofftet, jemand würde ihn für Euch finden! Narr! Narr!«
Demandred fand, dass Graendal selbst für ihre Verhältnisse etwas übertrieb. Er wäre jede Wette eingegangen, dass die Nachricht keine Überraschung für sie war. Anscheinend konnte es nicht schaden, sie im Auge zu behalten. Er enthielt sich jeden Kommentars.
Wie ein Liebender legte Moridin die Hand aufs Herz und drückte Cyndanes Kinn mit den Fingerspitzen nach oben. In ihren Augen brannte Hass, aber ihr Antlitz hätte das leblose Gesicht einer Puppe sein können. Sie ertrug seine Aufmerksamkeiten in der Tat wie eine fügsame Puppe. »Cyndane weiß viele Dinge«, sagte Moridin leise, »und sie erzählt mir alles, was sie weiß. Alles.« Die kleine Frau verzog keine Miene, aber sie erzitterte deutlich sichtbar.
Für Demandred war sie ein Rätsel. Zuerst hatte er geglaubt, sie wäre die reinkarnierte Lanfear. Anscheinend wurden Körper für Seelenwanderungen nach dem ausgewählt, was gerade vorhanden war, aber Osan’gar und Aran’gar waren ein Beweis für den grausamen Humor des Großen Herrn. Er war sich dessen sicher gewesen, bis ihm Mesaana verraten hatte, dass das Mädchen schwächer als Lanfear war. Mesaana und die anderen glaubten, sie würde aus diesem Zeitalter stammen. Dennoch nannte sie al’Thor immer Lews Therin, genau wie Lanfear es getan hatte, und sie sprach von den Choedan Kal wie jemand, der mit dem Schrecken vertraut war, den sie während des Krieges der Macht verbreitet hatten. Allein Baalsfeuer war noch gefürchteter gewesen, und das auch nicht sehr. Oder hatte Moridin ihr das für seine eigenen Zwecke beigebracht? Vorausgesetzt, er verfolgte überhaupt eigene Pläne. Es hatte immer Phasen gegeben, in denen die Handlungen dieses Mannes vom Wahnsinn diktiert worden waren.
»Dann sieht es wohl so aus, als müsste er doch getötet werden«, sagte Demandred. Es fiel ihm nicht
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