Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
mürrischen Grimasse zögernd gehorchte. Cadsuane und Verin schienen um die Frau besorgt zu sein. Cadsuane strich fast auf die gleiche Art über ihren Arm, wie Shalon den Hals ihres Pferdes tätschelte, und Verin strahlte sie an, als würde sie sich von einer Krankheit erholen. Was Shalon nichts sagte. Also dachte sie über die anderen nach.
Wenn man auf einem Schiff aufsteigen wollte, reichte es nicht, nur die Winde Weben oder das Wetter vorhersagen oder die Position bestimmen zu können. Man musste die Absicht lesen können, die zwischen den Worten eines Befehls verborgen lag, und imstande sein, kleine Gesten und Veränderungen im Gesichtsausdruck zu interpretieren. Man musste erkennen, wer sich wem unterwarf, selbst wenn es kaum merklich war, denn Mut und Fähigkeiten ließen einen nur bis zu einem gewissen Punkt aufsteigen.
Nicht weit hinter ihnen ritten vier Frauen – Nesune, Erian, Beldeine und Elza – in einer kleinen Gruppe, obwohl sie nicht zusammengehörten, sondern lediglich den gleichen Platz einnahmen. Weder sprachen sie miteinander noch sahen sie sich an. Sie schienen einander nicht besonders zu mögen. Shalon setzte sie in Gedanken in das gleiche Boot wie Sarene. Die Aes Sedai gaben vor, dass sie alle unter Cadsuane vereint waren, aber das entsprach offensichtlich nicht der Wahrheit. Merise, Corele, Kumira und Daigian saßen in einem anderen Boot, das von Cadsuane gelenkt wurde. Manchmal schien Alanna in dem einen und dann wieder in dem anderen Boot zu sein, während Verin in gewisser Weise zwar zu Cadsuanes Boot gehörte, aber nicht darinsaß. Vielleicht schwamm sie nebenher, während Cadsuane ihre Hand hielt. Und wäre das nicht allein schon seltsam genug gewesen, war da noch die Sache mit dem erwiesenen Respekt.
Seltsamerweise hatte es den Anschein, als würden die Aes Sedai Stärke in der Macht Erfahrung oder Fähigkeiten vorziehen. Ihre Rangordnung gründete sich auf Stärke, wie bei Decksmatrosen, die sich in Küstentavernen prügelten. Natürlich beugten sie sich alle Cadsuane, doch bei den anderen gab es Merkwürdigkeiten. Den Regeln ihrer eigenen Hierarchie zufolge bekleideten einige der Frauen aus Nesunes Boot eine Position, auf der sie von einigen aus Cadsuanes Boot Respekt erwarten konnten, aber obwohl ein paar von ihnen dies durchaus zum Ausdruck brachten, benahmen sie sich dabei, als würden sie einem Höhergestellten gegenüberstehen, der ein ernstes, allgemein bekanntes Verbrechen begangen hatte. Der Hierarchie nach übertraf Nesune alle im Rang – von Cadsuane und Merise einmal abgesehen –, doch sie verhielt sich Daigian – welche die unterste Sprosse der Leiter einnahm – gegenüber auf eine Weise, als würde sie trotzig zu diesem Verbrechen stehen, und die anderen in ihrem Boot verhielten sich genauso. Alles lief sehr unauffällig ab, ein leicht erhobenes Kinn, eine leise gewölbte Braue, ein Verziehen der Lippen, aber für ein beim Aufstieg auf den Schiffen geübtes Auge war es unverkennbar. Vielleicht würde ihr nichts davon helfen, aber wenn sie schon Werg zupfen musste, dann ging das nur, indem sie einen Faden fand und zog.
Der Wind frischte auf; die Böen drückten den Umhang gegen ihren Rücken und ließen ihn zu ihren beiden Seiten emporflattern. Sie nahm es kaum wahr.
Die Behüter stellten möglicherweise einen weiteren Faden dar. Sie bildeten den Abschluss, verborgen hinter den Aes Sedai, die hinter Nesune und den anderen drei ritten. Eigentlich hatte Shalon erwartet, dass zwölf Aes Sedai von mehr als sieben Behütern begleitet werden würden. Angeblich hatte jede Aes Sedai mindestens einen Behüter, wenn nicht noch mehr. Sie schüttelte gereizt den Kopf. Natürlich abgesehen von der Roten Ajah. Sie war nicht völlig unwissend, was die Rote Ajah betraf.
Aber die Frage war nicht, wie viele Behüter, sondern ob sie alle Behüter waren. Sie war sich ziemlich sicher, den ergrauten alten Damer und den so hübschen Jahar in schwarzen Mänteln gesehen zu haben, bevor sie sich plötzlich mit den Aes Sedai zusammengetan hatten. Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht willens gewesen, sich die Schwarzmäntel genauer anzusehen, und um der Wahrheit die Ehre zu geben, war ihre Aufmerksamkeit mindestens zur Hälfte von der hübschen Ailil in Beschlag genommen gewesen, aber sie war sich sicher. Und wie auch immer Eben da hineinpasste, sie war sich fast sicher, dass die beiden anderen jetzt Behüter waren. Fast sicher. Jahar sprang genauso schnell wie Nethan oder Bassane, wenn
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