Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
für mehr als eine Gefährtin oder Freundin halten, hätten sie sie niemals gestellt. Sie konnte also genauso direkt sein. Greif an und hör nicht mehr damit auf. »Warum wollt Ihr ihn finden? Boten könnten ihm jede beliebige Nachricht zukommen lassen.« Was so gut wie die Frage war, warum sie große Heere mitgebracht hatten.
Easar hatte sich keinen Wein genommen und er stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten da. »Der Krieg gegen den Schatten wird entlang der Fäule geführt«, sagte er grimmig. »Die letzte Schlacht wird in der Fäule stattfinden, wenn nicht sogar im Shayol Ghul selbst. Und er ignoriert die Grenzländer und beschäftigt sich mit Gegenden, die seit den Trolloc-Kriegen keinen Myrddraal mehr gesehen haben.«
»Der Car’a’carn entscheidet, wo der Tanz der Speere getanzt wird, Feuchtländer«, höhnte Aviendha. »Wenn Ihr ihm folgt, dann kämpft Ihr dort, wo er es befiehlt.« Keiner sah sie an. Sie starrten alle Elayne an. Keiner machte sich die Bresche zunutze, die Aviendha geboten hatte.
Elayne zwang sich dazu, gleichmäßig zu atmen und erwiderte ihre Blicke, ohne zu blinzeln. Ein Grenzländer-Heer war eine zu aufwendige Falle für Elaida, um Elayne Trakand zu fangen, aber Rand al’Thor, der Wiedergeborene Drache, war ein anderes Kaliber. Merilille rutschte auf ihrem Stuhl herum, aber sie hatte ihre Anweisungen. Ganz egal, wie viele Verträge die Schwester der Grauen ausgehandelt hatte, sobald Elayne das Wort ergriff, hatte sie zu schweigen. Selbstvertrauen floss durch den Bund mit Birgitte. Rand war ein Stein, unleserlich und weit weg. »Ihr kennt die Proklamation der Weißen Burg?«, fragte sie ganz ruhig. Mittlerweile mussten sie sie kennen.
»Die Burg belegt jeden mit einem Bann, der sich dem Wiedergeborenen Drachen ohne ihre Vermittlung nähert«, sagte Paitar genauso ruhig. Nun setzte auch er sich und sah sie ernst an. »Ihr seid eine Aes Sedai. Sicherlich zählt das als das Gleiche.«
»Die Burg mischt sich in alles ein«, murmelte Tenobia. »Nein, Ethenielle, ich werde das sagen! Die ganze Welt weiß, dass die Burg gespalten ist! Folgt Ihr Elaida oder den Rebellen, Elayne?«
»Die Welt weiß selten, was sie zu wissen glaubt«, sagte Merilille mit einer Stimme, die die Temperatur des Zeltes zu senken schien. Die kleine Frau, die losrannte, wenn Elayne es ihr befahl, und kreischte, wenn die Windsucherinnen sie ansahen, saß aufrecht da und schaute Tenobia als Aes Sedai an, und ihr glattes Gesicht war so frostig wie ihr Tonfall. »Die Angelegenheiten der Burg betreffen nur die Aufgenommenen, Tenobia. Wenn Ihr etwas erfahren wollt, bittet darum, dass man Euren Namen in das Novizinnenbuch einträgt, und in zwanzig Jahren werdet Ihr dann vielleicht etwas wissen.« Ihre Erleuchtete Majestät Tenobia si Bashere Kazadi, Schild des Nordens und Schwert der Fäulnisgrenze, Hohe Herrin von Haus Kazadi, Lady von Shahayni, Asnelle, Kunwar und Ganai, starrte Merilille mit unbändiger Wut an. Und sagte kein Wort. Elaynes Wertschätzung für sie stieg etwas an.
Merililles Ungehorsam störte sie nicht. So musste sie keine Ausflüchte mehr machen und gleichzeitig so tun, als würde sie nur die Wahrheit sagen. Egwene hatte gesagt, sie müssten ihr Leben so führen, als hätten sie bereits die Drei Eide geleistet, und im Augenblick spürte Elayne, welche Belastung dies war. Hier war sie nicht die Tochter-Erbin von Andor, die darum kämpfte, den Thron ihrer Mutter zu beanspruchen. Sie war eine Aes Sedai der Grünen Ajah, die ihre Worte mit Sorgfalt auswählen musste, statt einfach nur das zu verbergen, was ihrem Willen nach verborgen bleiben sollte.
»Ich kann Euch nicht sagen, wo genau er sich aufhält.« Das war die Wahrheit, weil sie ihnen nur die ungefähre Richtung hätte sagen können, irgendwo in Richtung Tear, und sie wusste nicht einmal, wie weit er entfernt war; es war aber auch deshalb die Wahrheit, weil sie ihnen nicht ausreichend vertraute, um ihnen selbst das zu sagen. Sie musste nur darauf achten, was und wie sie es sagte. »Ich weiß, dass er sich dort, wo er ist, eine Zeit lang aufhalten will.« Er hatte sich seit Tagen nicht mehr bewegt; seit er sie verlassen hatte, war es das erste Mal, dass er länger als einen halben Tag an einem Ort geblieben war. »Ich werde Euch sagen, was ich kann, aber nur, wenn Ihr Euch bereit erklärt, innerhalb einer Woche nach Süden zu marschieren. Wenn Ihr noch länger hierbleibt, werden Euch sowohl das Korn wie auch das Fleisch ausgehen. Ich
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