Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
überquerte, hatte ich außer bei einem Kesselflicker noch nirgendwo schwarze Augen gesehen.«
»Tenobia, Ihr wisst, dass ich nur die Wahrheit sagen kann, und ich versichere Euch …«, fing Merilille an.
Elayne brachte sie mit einer Berührung am Arm zum Schweigen. »Es reicht, wenn Ihr wisst, dass ich eine Aes Sedai bin, Tenobia. Das ist meine Schwester, Aviendha aus der Sept der Neun Täler von den Taardad Aiel.« Aviendha lächelte sie an oder vielmehr fletschte die Zähne. »Das ist meine Behüterin, Lady Birgitte Trahelion.« Birgitte machte eine knappe Verbeugung, die ihren blonden Zopf schaukeln ließ.
Die eine Vorstellung rief genauso viele verblüffte Blicke hervor wie die andere – eine Frau der Aiel war ihre Schwester, eine Behüterin? –, aber Tenobia und die anderen herrschten über Länder am Rand der Fäule, wo gestaltgewordene Albträume im Licht des Tages umgehen konnten und jeder, der sich zu sehr von der Überraschung mitreißen ließ, so gut wie tot war. Aber Elayne ließ ihnen keine Gelegenheit, ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Greift an, bevor ihnen klar ist, was Ihr vorhabt, hatte Gareth Bryne gesagt, und greift an, bis Ihr sie in die Flucht schlagt oder ihre Reihen durchbrecht.
»Haben wir die Artigkeiten damit hinter uns gebracht?«, fragte sie und nahm sich vom Tablett des Soldaten einen Pokal, aus dem der Duft gewürzten Weins emporstieg. Eine Welle der Vorsicht strömte durch den Behüterbund, und sie sah, wie Aviendha dem Pokal einen schiefen Blick zuwarf, aber sie hatte nicht vor, davon zu trinken. Sie war nur froh, dass keine von ihnen etwas sagte.
»Nur eine Närrin würde glauben, dass ihr alle den weiten Weg gekommen seid, um Andor zu erobern«, sagte sie, ging zu den Stühlen und setzte sich. Die anderen mochten Herrscher sein, aber das ließ ihnen keine Wahl. Entweder mussten sie ihrem Beispiel folgen oder ihren Rücken ansehen. Beziehungsweise Birgittes Rücken, da sie sich hinter ihr aufstellte. Wie gewöhnlich setzte sich Aviendha auf den Boden und arrangierte ihre Röcke zu einem ordentlichen Fächer. Sie schlossen sich ihr an. »Der Wiedergeborene Drache führt euch her«, fuhr Elayne fort. »Ihr habt diese Audienz mit mir erbeten, weil ich in Falme dabei war. Es stellt sich nur die Frage, warum das für euch so wichtig ist? Glaubt ihr, ich kann euch mehr über die Geschehnisse erzählen, als ihr ohnehin bereits wisst? Das Horn von Valere wurde geblasen, tote Helden aus den Legenden ritten gegen die seanchanischen Invasoren, und der Wiedergeborene Drache kämpfte am Himmel gegen den Schatten, wo es alle sehen konnten. Wenn ich das weiß, wisst ihr genauso viel wie ich.«
»Audienz?«, fragte Tenobia ungläubig und hielt mitten im Hinsetzen inne. Der Faltstuhl quietschte, als sie sich den Rest einfach fallen ließ. »Keiner hat eine Audienz erbeten! Selbst wenn Ihr bereits auf dem Thron von Andor sitzen würdet …!«
»Lasst uns beim Thema bleiben, Tenobia«, unterbrach Paitar sie freundlich. Er hatte sich nicht gesetzt, sondern war stehen geblieben und trank gelegentlich von seinem Wein. Elayne war froh, dass sie seine Falten sehen konnte. Diese Stimme hätte sonst den Verstand einer Frau verwirren können.
Ethenielle schenkte Tenobia noch einen bösen Blick, während sie Platz nahm, und murmelte etwas vor sich hin. Elayne glaubte, das Wort »Heirat« in einer bedauernden Betonung gehört zu haben, aber das ergab keinen Sinn. Zumindest wandte sie ihre Aufmerksamkeit Elayne zu, sobald sie saß. »Zu einem anderen Zeitpunkt könnte mir Euer Temperament gefallen, Elayne Sedai, aber es macht keinen großen Spaß, in einen Hinterhalt zu geraten, bei dem einer Eurer Verbündeten seine Hand im Spiel hatte.« Tenobia runzelte finster die Stirn, obwohl Ethenielle ihren scharfen Blick nicht in ihre Richtung richtete. »Was in Falme geschehen ist«, fuhr die Königin von Kandor fort, »ist weniger wichtig als das, was sich daraus ergeben hat. Nein, Paitar, wir müssen ihr sagen, was sie wissen muss, denn sie weiß bereits zu viel. Elayne, Ihr wart in Falme eine der Gefährtinnen des Wiedergeborenen Drachen. Vielleicht eine Freundin. Ihr habt recht, wir sind nicht gekommen, um zu erobern. Wir sind gekommen, um den Wiedergeborenen Drachen zu finden. Und wir sind den ganzen Weg marschiert, nur um herausfinden zu müssen, dass keiner seinen derzeitigen Aufenthaltsort kennt. Wisst Ihr, wo er ist?«
Elayne verbarg ihre Erleichterung über die direkte Frage. Würden sie sie
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