Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
also ließ er Pips am Ende des Docks stehen bleiben und winkte wie ein Narr, bis sie weit genug weg war, um ihn ohne die Hilfe eines Fernglases nicht mehr sehen zu können.
Trotz des pochenden Beins ritt er langsam fast den ganzen Kai ab. Er vermied es, noch einen Blick auf den Hafen zu werfen. Nüchtern gekleidete Kaufleute standen da und sahen zu, wie ihre Fracht gelöscht wurde, steckten gelegentlich Männer oder Frauen in einer grünen Lederweste einen Geldbeutel zu, damit man mit ihren Waren behutsamer umging oder sie mit größerer Schnelligkeit bearbeitete, obwohl es kaum möglich erschien, dass die Gildenleute sich noch schneller bewegten. Südländer schienen sich ohnehin ständig im Laufschritt zu bewegen, solange die Sonne nicht genau über ihnen im Zenit stand und die hier herrschende Hitze eine Ente braten konnte; aber unabhängig davon, wo die Sonne im Augenblick stand, der graue Himmel und der schneidende, vom Meer kommende Wind sorgte sowieso für Kälte.
Als er sich auf der Höhe des Mol Hara befand, hatte er mehr als zwanzig Sul’dam gezählt, die mit Damane die Docks patrouillierten, sich für Boote interessierten, die von den vor Anker gegangenen Schiffen ablegten, die nicht aus Seanchan kamen, und an Bord jedes neu angekommenen Schiffes gingen. Und auch an Bord jener, die bereit waren, ihre Leinen zu lösen. Er war sich ziemlich sicher gewesen, dass sie dort sein würden. Es würde also Valan Luca sein müssen. Die einzige Alternative war zu gefährlich, es sei denn in einer Notlage. Luca hatte auch seine Risiken, aber er stellte die einzige echte Möglichkeit dar, die es noch gab.
Im Tarasin-Palast stieg er mit schmerzverzerrter Miene von Pips und zog den Wanderstab unter dem Sattelgurt hervor. Er überließ das Pferd einem Stallburschen und hinkte hinein; das linke Bein konnte kaum sein Gewicht tragen. Vielleicht würde ein heißes Bad die Schmerzen lindern. Vielleicht würde er dann nachdenken können. Man würde Luca überraschen müssen, aber bevor es so weit war, galt es noch ein paar andere kleine Probleme zu überwinden.
»Ah, da seid Ihr ja«, sagte Noal und blieb vor ihm stehen. Seit Mat dem alten Mann einen Schlafplatz verschafft hatte, hatte er ihn nur selten zu Gesicht bekommen, aber wenn man bedachte, dass er jeden Tag in die Stadt verschwand und erst in der Nacht in den Palast zurückkehrte, sah er in seinem frisch ausgebürsteten grauen Mantel doch wohlausgeruht aus. Er zupfte die Spitze an seinen Ärmeln zurecht und lächelte vertrauensvoll, was seine Zahnlücken enthüllte. »Ihr plant etwas, Lord Mat, und ich möchte Euch meine Dienste anbieten.«
»Ich plane, Gewicht von meinem Bein zu nehmen«, sagte Mat so beiläufig, wie er nur konnte. Noal schien harmlos zu sein. Harnan zufolge erzählte er vor dem Schlafengehen Geschichten, die er und die anderen Rotwaffen zu schlucken schienen, einschließlich der, in der es um einen Ort namens Shibouya ging, der angeblich jenseits der Aiel-Wüste lag und in dem Frauen, die die Macht lenken konnten, tätowierte Gesichter hatten, auf über dreihundert Verbrechen die Todesstrafe stand und unter den Bergen Riesen lebten, Männer, die noch größer als Ogier waren und ihre Gesichter auf den Bäuchen hatten. Er behauptete, dort gewesen zu sein. Niemand, der derartige Behauptungen in die Welt setzte, konnte etwas anderes als harmlos sein. Andererseits, als Mat ihm das eine Mal zugesehen hatte, wie er die langen Dolche benutzte, die er unter dem Mantel trug, war er ihm alles andere als harmlos erschienen. Es gab eine gewisse Art und Weise, wie ein Mann eine Waffe hielt, die besagte, dass er daran gewöhnt war, sie zu benutzen. »Falls ich mich dazu entscheide, etwas anderes zu tun, werde ich an Euch denken.«
Noch immer lächelnd tippte sich Noal mit einem jener verkrümmten Finger an die Hakennase. »Ihr vertraut mir noch nicht. Das ist verständlich. Doch wenn ich Euch schaden wollte, dann hätte ich an jenem Abend in der Gasse einfach nur zusehen brauchen. Ihr habt jenes Glitzern im Auge. Ich habe große Männer gesehen, wie sie ihre Pläne schmiedeten, und auch Schurken so finster wie der Krater des Verderbens. Ein Mann, der gefährliche Pläne schmiedet, die nicht bekannt werden sollen, hat einen ganz bestimmten Ausdruck.«
»Meine Augen sind nur müde«, erwiderte Mat lachend und stützte sich auf den Stab. Große Männer, die Pläne schmiedeten? Vermutlich hatte der alte Bursche sie in Shibouya gesehen, neben den Riesen. »Ihr
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