Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
Straßenhüter Fain gefangen nehmen. Vielleicht würde er für die hier gefundenen Leichen hängen. Es reichte nicht, aber es würde reichen müssen. Rand war es satt, was alles reichen musste.
Auf dem Dachboden sprang Lan in die Höhe, um die Kante der Falltür aufs Dach zu erwischen und sich daran hinaufzuziehen. Rand war sich nicht sicher, ob er den Sprung schaffen würde. Der Schmerz war zusammen mit Fain verschwunden, aber seine Seite fühlte sich an, als hätte man sie mit Axtschäften geprügelt. Als er sich zum ersten Versuch bereit machte, steckte Lan den Kopf durch die Falltür und streckte eine Hand aus.
»Sie kommen vielleicht nicht sofort, Schafhirte, aber gibt es einen Grund, auf sie zu warten?«
Rand erwischte Lans Hand und ließ sich hinaufziehen, bis er die Kante fassen und allein auf das Dach klettern konnte. Geduckt bewegten sie sich über die feuchten Schieferpfannen zur Rückseite des Gebäudes, dann begannen sie mit dem kurzen Aufstieg zum Dachfirst. Möglicherweise befanden sich Straßenhüter auf der Straße, aber noch bestand die Chance, ungesehen zu entkommen, vor allem wenn sie Nynaeve ein Zeichen geben konnten, für eine Ablenkung zu sorgen.
Rand griff nach dem Dachfirst und hinter ihm rutschte Lans Stiefel mit einem Quietschen auf dem nassen Schiefer aus. Rand drehte sich herum und packte das Handgelenk des anderen Mannes, aber Lans Gewicht zog ihn die glatte graue Schräge hinunter. Vergeblich griffen sie mit ihren freien Händen nach einem Haltepunkt, der Kante einer Schieferpfanne, irgendetwas. Keiner sagte auch nur ein Wort. Lans Beine verschwanden über die Dachkante, dann folgte der Rest von ihm. Rands behandschuhte Finger fanden an etwas Halt; er wusste nicht, was es war, und es war ihm auch egal. Sein Kopf und eine Schulter ragten über die Dachkante und Lan baumelte über der zehn Fuß tiefer gelegenen Gasse neben dem niedrigen Haus in seinem Griff.
»Lass los«, sagte Lan leise. Er schaute zu Rand hinauf, seine Augen blickten kalt und hart, sein Gesicht war ausdruckslos. »Lass los.«
»Wenn sich die Sonne grün verfärbt«, erwiderte Rand. Wenn er ihn nur ein Stück hochziehen konnte, damit er die Regenrinne erreichen …
Was auch immer seine Finger erwischt hatten, brach mit einem hellen Schnappen, und die Gasse raste ihnen entgegen.
KAPITEL 34
Das Geheimnis des Kolibris
N ynaeve versuchte, die Gasse neben dem Kerzenmacher nicht zu offensichtlich zu beobachten, legte das zusammengefaltete Stück Borte wieder auf das Tablett der Händlerin und schob die Hand unter den Umhang, um ihn gegen den Wind geschlossen zu halten. Der Umhang war von besserer Qualität als die Gewandung der vorbeigehenden Passanten, doch unscheinbar genug, dass ihr keiner einen zweiten Blick schenkte. Aber das würden sie, wenn sie ihren Gürtel sahen. Frauen mit Schmuck kamen nicht in die Blaue-Karpfen-Straße oder kauften von Straßenhändlerinnen. Nachdem sie jede der dort ausgelegten Borte angefasst hatte, verzog die schlanke Händlerin das Gesicht, aber Nynaeve hatte bereits drei Stücke gekauft, dazu noch zwei Schleifen und ein Päckchen Nadeln, nur um einen Grund zum Bleiben zu haben. Nadeln konnte man immer gebrauchen, aber sie hatte keine Ahnung, was sie mit dem Rest anstellen sollte.
Plötzlich hörte sie aus der Richtung des Wachturms einen Aufruhr, den Lärm sich nähernder Straßenhüter. Der Hüter kletterte gerade von seinem Posten herunter. Passanten in der Nähe des Wachturms starrten neugierig in die Blaue-Karpfen-Straße hinein, dann drängten sie eilig zur Seite, als rennende Straßenhüter erschienen und ihre Holzrasseln über den Köpfen schwangen. Es handelte sich nicht um eine Patrouille aus zwei oder drei Männern, vielmehr fiel eine Flut Gepanzerter in die Blaue-Karpfen-Straße ein, und aus der angrenzenden Straße kamen noch mehr hinzu. Leute, die ihnen nicht schnell genug aus dem Weg gingen, wurden zur Seite gestoßen. Ein Mann stürzte vor ihnen zu Boden. Sie wurden nicht einen Schritt langsamer, als sie über ihn hinwegtrampelten.
Die Bortenverkäuferin warf die Hälfte ihrer Ware vom Tablett, als sie zur Seite sprang, und Nynaeve drückte sich genauso schnell neben der ungläubig starrenden Frau gegen die Hausmauer. Die Masse der Straßenhüter füllte die Straße, ihre Fangstäbe und Kampfstäbe ragten wie Piken in die Höhe, sie rempelten Nynaeve mit den Schultern an und trieben sie an der Häuserwand entlang. Die Händlerin schrie auf, als man ihr das Tablett
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