Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
geliefert. Das war vor etwa zehn Tagen.« Balwer schürzte gereizt die Lippen. Er verabscheute Ungenauigkeit; es störte ihn, wenn er nicht genau Bescheid wusste. »Verlässliche Informationen sind knapp, aber zweifellos ist das amadicianische Heer erschlagen, gefangen genommen oder in alle Winde verstreut. Es sollte mich sehr überraschen, wenn irgendwo noch mehr als hundert Mann zusammen sein sollten, und die werden bald das Handwerk der Straßenräuberei ergreifen. Ailron selbst wurde gefangen genommen, zusammen mit seinem ganzen Hof. Amadicia hat keinen Adel mehr; es hat gar nichts mehr.«
In Gedanken erklärte Perrin seine Wette für verloren. Für gewöhnlich begann Balwer immer mit Neuigkeiten über die Weißmäntel. »Ich schätze, für Amadicia ist das eine Schande. Auf jeden Fall aber für die Gefangenen.« Balwer zufolge sprangen die Seanchaner auf eine ziemliche grobe Weise mit denen um, die sich ihnen mit Waffengewalt entgegenstellten. Also hatte Amadicia kein Heer mehr und auch keine Adligen, die ein neues ausheben oder befehligen konnten. Es gab nichts mehr, um die Seanchaner daran zu hindern, sich so schnell auszubreiten, wie sie wollten, obwohl sie sich auch dann schnell auszubreiten schienen, wenn es Gegenwehr gab. Am besten ritten sie nach Osten, sobald Masema im Lager eintraf, und zwar so schnell, wie es Männer und Pferde schafften.
Er sagte es und Balwer nickte mit einem schmalen Lächeln. Der Mann schätzte es, wenn Perrin den Wert seiner Berichte erkannte.
»Die andere Sache, mein Lord«, fuhr er fort. »Die Weißmäntel haben an der Schlacht teilgenommen, aber anscheinend ist es Valda gelungen, die meisten von ihnen am Ende vom Schlachtfeld zu schaffen. Er hat das Glück des Dunklen Königs. Keiner scheint zu wissen, wo sie abgeblieben sind. Das heißt, jeder weiß eine andere Richtung zu berichten. Ich würde sagen, sie sind nach Osten abgezogen. Fort von den Seanchanern.« Und natürlich in Richtung Abila.
Also hatte er doch nicht so weit danebengetippt. Auch wenn der Mann nicht damit angefangen hatte. Na gut, dann eben ein Gleichstand. Weit über ihnen zog ein Falke am wolkenlosen Himmel vorbei und flog nach Norden. Er würde das Lager lange vor ihnen erreichen. Perrin konnte sich an eine Zeit erinnern, in der er genauso wenig Sorgen wie dieser Falke gehabt hatte. Zumindest verglichen mit dem heutigen Tag. Diese Zeit war lange her.
»Ich schätze, Balwer, die Weißmäntel sind mehr darauf bedacht, den Seanchanern aus dem Weg zu gehen, als uns in die Quere zu kommen. Aber es spielt sowieso keine Rolle, ich kann wegen ihnen genauso wenig schneller Reisen als wegen der Seanchaner. War das die zweite Neuigkeit?«
»Nein, mein Lord. Nur ein interessantes Detail.« Balwer schien die Kinder des Lichts zu hassen, vor allem Valda – Perrin vermutete, dass er irgendwann in der Vergangenheit grob von ihnen behandelt worden war –, aber wie alles bei diesem Mann war es ein trockener, kalter Hass. Leidenschaftslos. »Die zweite Neuigkeit ist, dass die Seanchaner noch eine andere Schlacht geschlagen haben, und zwar im südlichen Altara. Möglicherweise gegen Aes Sedai, obwohl einige auch Männer erwähnten, welche die Macht lenkten.« Balwer drehte sich ein Stück auf seinem Sattel um und warf einen Blick zurück auf Grady und Neald in ihren schwarzen Mänteln. Grady unterhielt sich angeregt mit Elyas und Neald mit Aram, aber die beiden Asha’man schienen den Wald dabei genauso aufmerksam im Auge zu behalten wie die Behüter, die die Nachhut bildeten. Die Aes Sedai und die Weisen Frauen waren ebenfalls in leise Unterhaltungen vertieft. »Wer auch immer gegen sie gekämpft hat, mein Lord, es steht fest, dass die Seanchaner verloren und sich fluchtartig nach Ebou Dar zurückgezogen haben.«
»Gute Neuigkeiten«, sagte Perrin tonlos. Dumai blitzte vor seinem inneren Auge auf, diesmal stärker als zuvor. Einen Augenblick lang stand er wieder Rücken an Rücken mit Loial und kämpfte verzweifelt in der festen Überzeugung, dass jeder Atemzug der letzte sein würde. Zum ersten Mal an diesem Tag zitterte er am ganzen Leib. Immerhin wusste Rand über die Seanchaner Bescheid. Wenigstens musste er sich darüber keine Sorgen machen.
Ihm wurde bewusst, dass Balwer ihn ansah. Ihn ins Auge fasste, so wie ein Vogel ein seltsames Insekt ins Auge fasste. Das Zittern war ihm nicht entgangen. Der kleine Mann wusste gern über alles Bescheid, aber es gab einige Geheimnisse, die niemals jemand erfahren
Weitere Kostenlose Bücher