Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
bedeuten, vielleicht auch nicht. Faile wusste plötzlich, wie sich jemand fühlte, der in einem Mahlstrom gefangen war und verzweifelt nach Strohhalmen griff.
»Noch mehr Gai’shain für Sevanna, das haben wir hier«, sagte die unglaublich große Frau amüsiert. Sie hatte ein markantes Gesicht, das einige vielleicht als hübsch bezeichnet hätten, aber verglichen mit der anderen Weisen Frau erschien sie weich und nachgiebig. »Sevanna wird nicht zufrieden sein, bis die ganze Welt Gai’shain ist, Therava. Nicht, dass ich etwas dagegen einzuwenden hätte.« Sie lachte.
Die Weise Frau mit den Adleraugen lachte nicht. Ihr Gesicht war wie gemeißelt. Ihre Stimme war so hart wie Stein. »Sevanna hat bereits zu viele Gai’shain , Someryn. Wir haben zu viele Gai’shain . Sie sorgen dafür, dass wir uns kriechend fortbewegen, wo wir doch laufen sollten.« Ihr stählerner Blick glitt die Reihe der Knienden entlang.
Faile zuckte zusammen, als sie gemustert wurde; schnell senkte sie den Kopf und versteckte ihr Gesicht hinter dem Becher. Sie hatte Therava noch nie zuvor gesehen, aber dieser Blick hatte ihr verraten, mit wem sie es hier zu tun hatte. Diese Frau war begierig, jede Herausforderung ihrer Autorität auf der Stelle ein für alle Mal zu vernichten, und sie war dazu fähig, aus einem ganz normalen Blick eine Herausforderung herauszulesen. Schlimm genug, wenn sich irgendein dummer Adliger bei Hof so verhielt oder jemand, der einem auf der Straße begegnete, aber wenn Therava ein persönliches Interesse an ihnen entwickelte, würde eine Flucht mehr als nur schwierig werden. Trotzdem beobachtete Faile die Frau aus den Augenwinkeln. Dabei kam es ihr so vor, als würde sie eine giftige Natter beobachten, deren Schuppen in der Sonne glitzerten und die sich keine dreißig Zentimeter vor ihrem Gesicht zusammenrollte.
Demut, dachte sie. Ich knie hier demütig und denke nur daran, meinen Tee zu trinken. Du brauchst mich kein zweites Mal zu mustern, du kaltäugige Hexe. Sie hoffte, dass die anderen ebenfalls das sahen, was sie erkannt hatte.
Alliandre hatte es nicht. Sie versuchte schwankend, auf den geschwollenen Füßen zu stehen, dann sank sie mit einem Stöhnen zurück auf die Knie. Trotzdem kniete sie aufrecht im fallenden Schnee und hielt mit hocherhobenem Kopf die dunkle Wolldecke so fest, als würde es sich um ein kostbares Seidentuch handeln, das ein prächtiges Gewand verbarg. Die nackten Beine und das vom Wind zerzauste Haar machten den Eindruck zwar etwas zunichte, trotzdem war sie die personifizierte Arroganz auf einem Thronpodest.
»Ich bin Alliandre Maritha Kigarin, Königin von Ghealdan«, verkündete sie lauthals, jeder Zoll eine Königin, die vor einer Horde schurkischer Wegelagerer stand. »Ihr tätet gut daran, mich und meine Gefährten gut zu behandeln und diejenigen zu bestrafen, die so grob mit uns umgesprungen sind. Ihr werdet ein großes Lösegeld für uns erzielen, größer, als ihr es euch vorstellen könnt, und eine Amnestie für eure Verbrechen. Meine Lehnsherrin, ihre Dienerin und ich beanspruchen bis zum Abschluss der Verhandlungen eine angemessene Unterkunft. Die anderen können bescheidener untergebracht werden, solange sie unversehrt bleiben. Ich werde kein Lösegeld bezahlen, wenn ihr die niedrigsten Diener meiner Lehnsherrin misshandelt.«
Faile hätte am liebsten gestöhnt – hielt diese Närrin diese Leute denn für einfache Straßenräuber? –, aber dafür blieb ihr keine Zeit.
»Stimmt das, Galina? Ist sie eine Königin der Feuchtländer?« Eine weitere Frau ritt hinter den Gefangenen aus dem Wald, der Hufschlag ihres großen schwarzen Wallachs war im Schnee kaum zu hören. Faile hielt sie für eine Aiel, war sich aber nicht sicher. Es war schwer zu sagen, solange die Frau auf dem Pferd saß, aber sie schien mindestens so groß wie Faile zu sein, und das waren nur wenige Frauen der Aiel, vor allem nicht, wenn sie diese grünen Augen in einem von der Sonne verbrannten Gesicht aufwiesen. Aber dennoch …
Auf den ersten Blick schien der dunkle Rock zu einer Aiel zu gehören, aber es handelte sich um einen Reitrock, der genau wie die cremefarbene Bluse aus Seide zu bestehen schien, und unter dem Saum ragten rote Stiefel hervor. Das breite, zusammengefaltete Tuch, das ihre langen blonden Haare zurückhielt, bestand aus rotem Brokat, und darüber schob sich ein daumenbreiter Reifen aus Gold und Feuertropfen. Im Gegensatz zu dem Goldgeschmeide und dem geschnitzten Elfenbein der
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