Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
leicht, ihn wieder loszuwerden. Plötzlich erschien das Verhalten der Männer, ihm Platz zu machen und das Unbehagen, mit dem sie ihn angesehen hatten, in einem ganz neuen Licht. Nicht zu vergessen Lems Ausspucken. In der Erinnerung wurde Kenlys Lächeln zu einem anzüglichen Grinsen. Das helle und strahlende Feuer, das Faile war, würde es nicht glauben. Natürlich würde sie das nicht. Bestimmt nicht.
Kenly kam durch den Schnee gestolpert und zog Traber und seinen schlanken Wallach hinter sich her. Beide Pferde litten unter der Kälte, sie hatten die Ohren angelegt und die Schwänze eingezogen, und der mausgraue Hengst machte keinerlei Anstalten, Kenlys Tier zu beißen, was er sonst getan hätte.
»Lass gefälligst das Grinsen«, fauchte Perrin und riss Trabers Zügel an sich. Der Junge sah ihn fragend an, dann machte er sich davon, jedoch nicht ohne über die Schulter zu blicken.
Perrin fluchte leise und überprüfte das Zaumzeug des Hengstes. Es war Zeit, Masema zu finden, aber er saß nicht auf. Er versuchte sich davon zu überzeugen, dass es daran lag, dass er müde und hungrig war, dass er sich bloß eine Weile ausruhen und etwas in den Magen bekommen wollte, falls er etwas finden konnte. Er sagte sich das, aber vor seinem inneren Auge sah er wieder verbrannte Bauernhöfe und Leichen, die an den Bäumen am Straßenrand hingen, Männer, Frauen und sogar Kinder. Selbst wenn Rand noch immer in Altara sein sollte, war es ein langer Weg. Ein langer Weg, und er hatte keine andere Wahl. Keine, zu der er sich überwinden konnte.
Er stand da mit der Stirn gegen Trabers Sattel gelehnt, als eine Abordnung der jungen Narren, die sich um Faile geschart hatten, zu ihm trat, fast ein ganzes Dutzend von ihnen. Er richtete sich müde auf und wünschte sich, der Schnee würde sie unter sich begraben.
Selande pflanzte sich neben Traber auf. Die kleine schlanke Frau stemmte die mit grünen Handschuhen bekleideten Hände in die Hüften und legte die Stirn in wütende Falten. Sie schaffte es, im Stehen den Eindruck zu erwecken, dass sie umherstolzierte. Trotz des fallenden Schnees war die eine Seite ihres Umhangs zurückgeworfen, um ihr freien Zugang zu ihrem Schwert zu gewähren, und enthüllte sechs helle Schlitze auf ihrem dunkelblauen Mantel. Alle diese Frauen trugen Männerkleidung und Schwerter, und für gewöhnlich waren sie doppelt so schnell bereit wie die Männer, sie zu benutzen, was eine Menge über sie aussagte. Sie alle – Männer und Frauen – reagierten äußerst empfindlich auf alle anderen und hätten jeden Tag Duelle ausgefochten, hätte Faile dem nicht ein Ende bereitet. Die Männer und Frauen, die Selande begleiteten, rochen alle wütend, mürrisch, trotzig und verdrossen, alles durcheinander; ein Geruch, der unbehaglich in seiner Nase juckte.
»Lord Perrin«, sagte Selande förmlich mit dem entschieden cairhienischen Akzent. »Es werden Vorbereitungen zum Aufbruch getroffen, aber man verweigert uns unsere Pferde. Werdet Ihr Abhilfe schaffen?« Sie ließ es wie eine Forderung klingen.
Sie hatte ihn gesehen, oder? Er wünschte sich, er würde sie nicht sehen. »Aiel gehen zu Fuß«, knurrte er und unterdrückte ein Gähnen; die wütenden Blicke, die ihm das einbrachte, ignorierte er. Er versuchte, nicht länger an Schlaf zu denken. »Wenn ihr nicht gehen wollt, dann fahrt auf den Wagen mit.«
»Das könnt Ihr nicht tun!«, verkündete eine der Frauen aus Tear hochmütig, die eine Hand am Saum des Umhangs, die andere auf dem Schwertgriff. Medore war hochgewachsen, mit hellblauen Augen in einem dunklen Gesicht, und auch wenn sie keine Schönheit war, fehlte doch nicht viel dazu. Bei ihrem vollen Busen sahen die dicken, mit roten Streifen versehenen Ärmel ihres Mantels seltsam aus. »Rotschwinge ist mein Lieblingspferd! Man wird sie mir nicht vorenthalten!«
»Das dritte Mal«, sagte Selande geheimnisvoll. »Wenn wir heute Abend lagern, werden wir über Euer Toh sprechen, Medore Damara.«
Angeblich war Medores Vater ein alternder Mann, der sich schon vor Jahren auf seine Landgüter zurückgezogen hatte, dennoch war Astoril noch immer der Hochlord. Zog man das in Betracht, stellte das seine Tochter weit über Selande, die in Cairhien nur eine niedere Adlige war. Doch Medore schluckte schwer, und ihre Augen weiteten sich, bis sie aussah, als würde sie damit rechnen, bei lebendigem Leib gehäutet zu werden.
Plötzlich konnte Perrin diese Narren und ihr Getue aus Aiel-Bräuchen und hochnäsigem adligem
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