Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rätsel der dritten Meile

Das Rätsel der dritten Meile

Titel: Das Rätsel der dritten Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
griente ihn entschuldigend an, dann begann er, erst den rechten, dann den linken Manschettenknopf zu öffnen und nacheinander beide Ärmel in die Höhe zu schieben. «Scheint kein sehr sportlicher Typ gewesen zu sein», sagte er mit Blick auf die mageren Oberarme. «Hätte mal öfter eine Hantel anfassen sollen.»
    «Ich finde, deine Witze sind manchmal höchst unangebracht, Max», sagte Morse gereizt.
    Der Pathologe sah ihn erstaunt an. «Seine Arme scheinen dich enttäuscht zu haben. Hattest du erwartet, eine Tätowierung zu finden, womöglich ein Herz mit dem Namen seiner Liebsten und seinem eigenen?»
    «Hätte ja sein können, nicht?» sagte Morse mürrisch. «Manchmal hat man ja auch Glück.»
    «Also weißt du», sagte der Pathologe und wiegte skeptisch den Kopf, «ich glaube, wenn du bei diesem Fall auf Glück vertraust, bist du nicht allzu gut beraten.»
    «Vielleicht hast du recht...» sagte Morse matt und versuchte der erneut in ihm hochsteigenden Übelkeit Herr zu werden. Während er noch schluckte, um den Würgereiz zu unterdrücken, bemerkte er plötzlich am linken Oberarm des Toten einen Bluterguß, der ihm vorher gar nicht aufgefallen war, und aus irgendeinem Grund gab ihm der Anblick der bläulich verfärbten Haut den Rest. Abrupt wandte er sich um und erbrach sich auf den Rasen.
    Lewis sah es von weitem und spürte neben Mitgefühl so etwas wie Scham. Morse war für ihn der Größte; da war es nur schwer zu ertragen, daß auch er Schwächen hatte.

    Neuntes Kapitel
    Mittwoch, 23.Juli

Der Pathologe erläutert einem mißmutigen Morse die Schwierigkeiten, über Wasserleichen ein gesichertes Urteil abzugeben.

    Nachdem die Leiche abtransportiert worden war, begaben sich Morse, Lewis und der Pathologe zum immer noch geschlossenen Boat Inn und wurden beim Wirt mit der Bitte vorstellig, er möge eine Ausnahme machen und die Bar für sie öffnen. Dieser, an sich ein gefälliger Mann, wies ihr Ansinnen vorsichtshalber doch lieber ab. Die Bar zu öffnen sei leider ausgeschlossen, weil ungesetzlich. Er habe aber einen anderen Vorschlag: wenn sie einverstanden seien, so würde er ihnen eine Flasche Glenfiddich verkaufen und sei auch gerne bereit, ihnen im Hinterzimmer einen Tisch zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise kämen sie zu ihrem Drink, ohne daß irgend jemand ihm oder ihnen eine Gesetzesübertretung vorwerfen könne.
    Kaum daß sie saßen, war Morse’ erste Frage, wie vorhersehbar: «Wie lange hat er im Wasser gelegen?» Der Gerichtsmediziner ließ sich Zeit. Er goß sich erst einmal reichlich ein und nahm einen tiefen Schluck, bevor er antwortete.
    «Gute Frage. Ich werde morgen mal versuchen, eine Antwort zu finden.»
    Morse griff mit säuerlichem Gesicht nach seinem Glas. Aber was ärgerte er sich? Er hatte im Grunde ja schon immer gewußt, daß von einem Pathologen kaum je eine vernünftige Auskunft zu erwarten war. Doch schnell trieb ihn seine professionelle Neugier, es dennoch ein zweites Mal zu versuchen.
    «Eine Woche vielleicht?»
    Der Doktor zuckte nur mit den Achseln.
    «Du meinst, es könnte auch länger sein?»
    «Oder kürzer.»
    «O verdammt, Max, sei nicht so stur!» Morse, im Begriff, sich von neuem einzuschenken, knallte wütend die Flasche auf den Tisch. Lewis saß ungerührt dabei, er war solche Ausbrüche von Morse gewöhnt. Was ihn beschäftigte, war die Frage, ob einer der beiden wohl daran denken würde, ihm vielleicht auch einmal einen Schluck von dem Whisky anzubieten. Nicht, daß er annehmen würde — aber es wäre doch eine schöne Geste.
    Der Pathologe, ebenfalls ganz unbeeindruckt von Morse’ Zorn, hob seinen Whisky zum Mund, nahm ein paar kleine Schlucke und schloß genießerisch die Augen. Als er sich danach seinem Gegenüber zuwandte, war sein sonst eher häßliches Gesicht noch wie verklärt von der gerade genossenen Wonne: «Der reinste Nektar, findest du nicht?»
    Morse war für ein Gespräch über die Qualitäten eines Whisky immer zu haben, und schließlich hatte man nach stundenlangem Reden über eine Leiche ohne Kopf, Hände und Beine ein bißchen Entspannung auch redlich verdient. «Das liegt am Wasser der schottischen Bäche», antwortete er mit dem bestimmten Ton des Experten.
    «Ach, Unsinn, es liegt natürlich daran, daß sie das Wasser weglassen.»
    Morse grinste. «Kann auch sein. Aber wo wir gerade von Wasser reden... Kannst du mir nicht doch meine Frage von vorhin beantworten?»
    «Man merkt, daß du von Wasser, welcher Art auch immer, keine

Weitere Kostenlose Bücher