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Das Rätsel der dritten Meile

Das Rätsel der dritten Meile

Titel: Das Rätsel der dritten Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Ahnung hast. Laß dir also eins von mir gesagt sein: Wenn eine Leiche auf meinen Seziertisch kommt, die sich vorher — ob nun längere oder kürzere Zeit, ist egal — im Wasser befunden hat, weiß ich sofort, daß ich mit Schwierigkeiten zu rechnen habe. Bei diesen Leichen ist es immer sehr kompliziert, genau herauszufinden, was vorher mit ihnen passiert ist. Allein festzustellen, ob der Tod überhaupt durch Ertrinken eingetreten ist oder ganz andere Ursachen hat, ist eines der kitzligsten Probleme in der gesamten Gerichtsmedizin.»
    «Aber das Problem hast du doch gar nicht. Wir wissen doch, daß der Bursche nicht ertrunken ist. Schließlich sieht jeder Laie, daß sein Kopf...»
    «Du kannst einem mit deiner Besserwisserei wirklich auf die Nerven gehen. Die Todesursache ist hier natürlich nicht das Problem. Da hast du schon recht, aber danach hast du mich ja auch gar nicht gefragt. Was du wissen wolltest, wenn ich dich daran erinnern darf, war doch, wie lange er schon im Kanal liegt, oder?»
    Morse nickte.
    «Na also. Und da gibt es nun fünf Standardfragen, die man immer stellt, wenn man eine Leiche bekommt, die im Wasser gefunden wurde; in diesem Fall sind sie zum größten Teil übrigens sehr einfach zu beantworten. Erstens: War der Tote bei Eintritt ins Wasser noch am Leben? Antwort: Mit ziemlicher Sicherheit — Nein. Zweitens: Trat der Tod ein durch Ertrinken? Antwort: Ebenfalls Nein. Drittens: Erfolgte der Tod umgehend? Antwort: Die Frage entfällt hier, da der Tod sich an anderer Stelle ereignete. Viertens: Wenn der Tod nicht durch Ertrinken eintrat, gibt es dann andere Faktoren, die den Schluß auf einen gewaltsamen Tod nahelegen? Antwort: Mit ziemlicher Sicherheit - Ja. Fünftens: Wo erfolgte der Eintritt ins Wasser? Antwort: Das weiß der liebe Himmel! Vermutlich dort, wo die Leiche gefunden wurde — das ist meistens der Fall. Genausogut kann es aber auch sein, daß sie, bestimmte Bedingungen vorausgesetzt, eine Strecke weit getrieben ist. Wenn die sich bildenden Körpergase mit gewissen inneren Reaktionen zusammentreffen, passiert es häufig, daß die Leiche zur Wasseroberfläche steigt und...»
    Morse unterbrach ihn und wandte sich an Lewis: «Wer hat ihn eigentlich entdeckt?»
    «Ein Mann, der am Kanal angeln wollte. Er rief uns an und sagte, im Kanal treibe etwas, das wie eine Leiche aussehe.»
    «Wir haben hoffentlich seinen Namen — ich meine den des Anglers», sagte Morse scharf, und Lewis entdeckte nicht ohne eine Spur von Unbehagen in seinen Augen ein Funkeln jener unbedingten Entschlossenheit, die ihn überall so gefürchtet machte.
    «Ich habe den Anruf gar nicht entgegengenommen, Sir. Das war Constable Dickson.»
    «Und der hat Namen und Adresse selbstverständlich, wie es sich gehört, notiert?»
    «Den Namen schon, die Adresse, soweit ich weiß, nicht. Der Mann hatte schon aufgehängt, bevor Dickson dazu kam, ihn danach zu fragen. — Ich finde, Dickson trifft da keine Schuld», setzte er mutig hinzu.
    «Aber wer redet denn hier von Schuld, Lewis?» fragte Morse in beleidigtem Ton. «Übrigens, wie heißt er denn nun?»
    «Rowbotham. Simon Rowbotham.»
    «Simon Rowbotham! Ist denn das zu glauben! Offenbar hat Dickson mal wieder nicht richtig hingehört.»
    «Das stimmt nicht, Sir. Er hat mir gesagt, daß er sich den Namen sogar extra habe buchstabieren lassen.»
    «Großartig! Wenn es nach Ihnen ginge, müßte ich ihm dafür wohl noch ein besonderes Lob aussprechen, was?»
    «Ich wollte doch nur sagen, daß Sie Constable Dickson unrecht tun und daß der Name stimmt.»
    « Der Name soll stimmen? Daß ich nicht lache! Simon? Und dann als Nachname Rowbotham? Ich bitte Sie, Lewis, merken Sie denn nicht, wie falsch das klingt? George zum Beispiel, das würde passen, das ist ein Name, den proletarische Eltern für ihren Sohn auswählen könnten. Simon dagegen läßt doch ganz klar an eine blaublütige Abstammung denken. Dem würde ein Nachname wie etwa Carruthers vielleicht entsprechen. Sie sehen also, Lewis, Simon Rowbotham ist ein Unding. Der Bursche, der angerufen hat, wollte offenbar seinen richtigen Namen nicht sagen und hat sich schnell einen ausgedacht.»
    Der Pathologe, der bisher schweigend zugesehen hatte, wie Lewis die hitzig vorgetragenen Ausführungen von Morse mit eingezogenem Kopf hilflos über sich hatte ergehen lassen, hielt es jetzt doch allmählich für an der Zeit, dem Sergeant zu Hilfe zu kommen.
    «Dieses ganze Gerede über Vor- und Nachnamen ist einfach lächerlich; und

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