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Das Rätsel der dritten Meile

Das Rätsel der dritten Meile

Titel: Das Rätsel der dritten Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Schlimmste, was es überhaupt gibt.»
    Der junge Pedell warf Lewis einen überraschten Blick zu. Das war doch wortwörtlich genau das, was auch dieser Mr. Gilbert gesagt hatte. Merkwürdiger Zufall!
    Da es sonst nicht viel Gesprächsstoff gab, erzählte er es Lewis, und dieser wiederum erzählte es Morse. Keiner von beiden konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, daß diese scheinbare Belanglosigkeit in nicht allzu ferner Zukunft große Bedeutung erhalten sollte.

Neunzehntes Kapitel
    Freitag, 25.Juli

Morse und Lewis schlagen sich immer noch mit der Frage herum, warum der Mörder es wohl für nötig befunden habe, sein Opfer zu verstümmeln.

    Alles in allem ließen die Ermittlungen sich gut an, dachte Lewis, als er mit Morse zurück ins Präsidium fuhr. Sie hatten, vom Opfer ausgehend, die Spuren zurückverfolgt — offenbar richtig zurückverfolgt, denn sie hatten ein Ergebnis erzielt. Zwei Fragen allerdings hätte er schon noch gehabt, aber Morse schien in Gedanken versunken zu sein, und Lewis wußte aus Erfahrung, daß es besser war, ihn dann nicht zu stören.
    Anders als sein Sergeant war Morse sich gar nicht so sicher, was den Erfolg ihrer bisherigen Arbeit anging. Sie wußten ja noch nicht einmal, ob der Mörder nun extrem dumm oder besonders gerissen gewesen war, als er den Toten verstümmelte, ihm jedoch seinen eigenen Anzug ließ — wenn es denn sein eigener Anzug war... Lewis hatte im College gründliche Arbeit geleistet und war der Ansicht, der Anzug habe Browne-Smith gehört. Aber hieß das, daß der Tote tatsächlich Browne-Smith war?
    Zurück im Büro, sah Lewis endlich eine Chance, seine Fragen loszuwerden.
    «Es ist doch aber jetzt ziemlich sicher, Sir, daß es sich bei dem Toten um Browne-Smith handelt, nicht wahr?»
    «Ich habe keine Ahnung.»
    «Aber der Anzug...»
    «Ich sagte, ich habe, verdammt noch mal, keine Ahnung», wiederholte Morse.
    Lewis zog den Kopf ein, ließ ein paar Minuten verstreichen und wagte sich dann erneut hervor.
    «Finden Sie nicht auch, Sir, daß es ein merkwürdiger Zufall ist, daß Gilbert und Sie beide zur gleichen Zeit Ärger mit ihren Zähnen haben?»
    Diese Frage schien Morse mehr zu interessieren als die erste, denn er versank wieder in tiefes Nachdenken. Nach ein paar Minuten schüttelte er den Kopf. «Nein, ich denke nicht, daß es merkwürdig ist. Solche Duplizitäten sind viel häufiger, als wir gemeinhin annehmen. Zufall, Glück, Schicksal — wir tun so, als ob sie in unserem Leben keine Rolle mehr spielten. Früher war das anders. Die Römer und die Griechen haben beide eine Glücksgöttin. Und wenn Sie sich wirklich für Zufälle interessieren, Lewis, dann holen Sie heute abend, wenn Sie nach Hause kommen, einmal die Bibel aus dem Schrank und schlagen Sie den sechsundvierzigsten Psalm auf, und dann suchen Sie mal das sechsundvierzigste Wort von vorn und das sechsundvierzigste von hinten. Das wird Sie sehr nachdenklich machen, was Zufälle angeht. Es muß übrigens», fugte er hinzu, «der Wortlaut der autorisierten Bibel von 1611 sein.»
    «Was? Wie?» fragte Lewis hilflos.
    «Ach, vergessen Sie’s, Lewis, war nicht so wichtig. Sprechen wir lieber noch einmal von unserem Fall. Ich werde versuchen, meine Gedanken auf die Reihe zu bringen. Also: wenn es dem Mörder egal gewesen wäre, ob man sein Opfer identifiziert oder nicht, hätte er ihm nicht den Kopf abgetrennt. Mit Kopf ist eine Identifizierung ziemlich einfach; man kann Fotos machen und verteilen, und irgend jemand wird das Opfer dann schon erkennen, egal ob es nun vierzehn Tage im Mississippi oder drei Monate im Oxford-Kanal gelegen hat. Dasselbe gilt für die Hände. Auch sie bieten die Möglichkeit, einen Menschen zu identifizieren, sogar noch eindeutiger, als man das an Hand eines Kopfes kann; denn Fingerabdrücke sind, wie wir wissen, wirklich unverwechselbar.»
    «Und was ist mit seinen Beinen, Sir?»
    «Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Lewis, wenn Sie mal für eine Minute den Mund halten könnten und versuchen würden, mir zuzuhören. Es ist, auch ohne daß Sie mich dauernd unterbrechen, schon schwer genug für mich, diese Gedankenkette logisch zu entwickeln.»
    «Also ich finde bis jetzt alles ganz einfach, Sir.»
    Morse seufzte genervt. «Wo war ich jetzt stehengeblieben? Ach ja. Also, wie ich schon sagte, wenn es dem Mörder egal gewesen wäre, ob man sein Opfer identifiziert oder nicht, hätte er sich die Mühe sparen können, ihm Kopf und Hände abzutrennen. Daß er es tat, läßt also doch wohl

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