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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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gestohlen hat und deshalb geflohen ist«, sagte Niccolo und verschränkte die Arme vor der Brust. Er schien mit dieser These zufrieden zu sein. »Wir sollten sie fesseln, auf eines der Pferde setzen und in Shangdou vor den Richter führen.«
    Dschinkim und Maffeo warfen sich einen vielsagenden Blick zu. So einleuchtend Niccolos Theorie auch klang, sie glaubten beide nicht daran. Diese Frau mochte vieles sein, aber sie war gewiss kein entflohenes Waschweib.
    »Ist sie denn verletzt?«, fragte Maffeo. »Vielleicht sollten wir sie untersuchen?«
    Dschinkim wich einen Schritt zurück, und sein Gesicht verlor an Farbe.
    »Ich werde diese Frau nicht berühren, unter gar keinen Umständen. Vielleicht wurde sie von einer Karawane zum Sterben hier gelassen, weil sie an einer ansteckenden Krankheit leidet. Oder sie ist ein Dämon. Oder aber…«
    Niccolo stieß einen Seufzer aus. »Natürlich, etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Nicht von einem…« Er brach ab. Vielleicht hatte er selbst bemerkt, dass er drohte zu weit zu gehen. »Dein Gedanke ist sehr vernünftig, Maffeo. Da Dschinkim nicht will und du die größere Erfahrung von uns beiden hast, solltest du deinen eigenen Vorschlag in die Tat umsetzen. Bedenke dabei, dass sie vermutlich eine Christin ist, dass sie sogar aus unserer Heimat stammen könnte.«
    Ja, Niccolo hatte recht. Es war möglich, dass diese Frau, so blond und weißhäutig, wie sie war, eine von ihnen war. Aber ebenso war es möglich, dass sie ein Geist, ein Dschinn oder ein Dämon war, der sich in die Gestalt einer hilflosen Frau verwandelt hatte, um sie zu täuschen. Um Zugang zur Stadt des Kaisers zu erlangen und dort ihr dämonisches Kind zur Welt zu bringen. Wenn dies aber nun nicht stimmte? Wenn sie wirklich nur das war, was sie zu sein schien, nämlich eine schwangere Frau? Widerstrebend ließ Maffeo sein Steinadlerweibchen auf Dschinkims Arm klettern, dann kniete er sich neben die Fremde.
    »Maffeo!«, rief Dschinkim aus. »Du willst das wirklich tun?«
    Maffeo nickte. Lieber will ich das drohende Unheil auf mich nehmen, als für den Tod einer Unschuldigen verantwortlich zu sein, dachte er und begann die Frau vorsichtig abzutasten.
    Sie wachte nicht auf. Sie zuckte nicht einmal mit den Wimpern, als er ihre Hände nahm und aus der Linken etwas entfernte. Es war ein walnussgroßer Stein, ein strahlend blauer Saphir von so erlesener Schönheit, wie es ihn nur einmal auf dieser Welt geben konnte. Für den Bruchteil eines Augenblicks hörte sein Herz auf zu schlagen, und der Atem stockte in seiner Brust. War es denn möglich, dass dies… Er warf einen Blick auf das Gesicht der Frau, das mit den geschlossenen Augen friedlich wie das eines Engels war. War dies das Gesicht einer Diebin? Einen kurzen Moment betrachtete er den Stein versonnen. Dann steckte er ihn rasch in eine Tasche seines weiten Mantels, bevor Niccolo oder Dschinkim etwas davon merkten.
    »Ich kann keine Verletzungen entdecken«, sagte Maffeo, als er seine Untersuchung abgeschlossen hatte, und erhob sich schwerfällig.
    »Aber weshalb ist sie dann bewusstlos?«, fragte Niccolo. »Wir sollten sie so rasch wie möglich nach Shangdou bringen.«
    »Nein«, rief Dschinkim aus. »Niemals werde ich diese Frau in die kaiserliche Stadt mitnehmen. Ich werde es nicht zulassen, dass…«
    »Ich stimme Niccolo zu«, unterbrach ihn Maffeo. »Wir kennen ihre Gesinnung zwar nicht und wissen auch nicht, weshalb sie hierher gekommen ist, dennoch glaube ich nicht, dass eine Gefahr von ihr ausgeht. Soweit ich es beurteilen kann, ist sie kein Dämon. Ich bin sogar bereit, dafür zu bürgen. Aber ich bin sicher, dass die Fremde einen Arzt braucht. Außerdem können wir sie in ihrem Zustand nicht der Kälte überlassen. Sie würde erfrieren. Und wir wären dann ebenso schuld an ihrem Tod, als hätten wir ihr einen Dolch ins Herz gestoßen.«
    Dschinkim sah Maffeo lange an, dann nickte er ergeben. »Gut, vielleicht hast du recht. Ich vertraue deinem Urteil, mein Freund.«
    Maffeo griff in seine Tasche. Der Stein war warm. Die Hand der Fremden hatte ihn erwärmt – oder war es der Stein, der ihr Wärme gespendet hatte? Maffeos Finger glitten über die Oberfläche. Der Saphir fühlte sich vertraut an und doch fremd. Er war gleich und doch anders, wie Bild und Spiegelbild. War er etwa ein Bruder, ein Zwilling?
    Eines ist sicher, dachte Maffeo und schloss seine Hand um den Saphir. Sie ist ebenso wenig ein Dämon wie ich.
    Dann stieg er bedächtig, jede

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