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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Bewegung vorher gut abwägend, in den Sattel, um sich keine Blöße zu geben. Vielleicht war Dschinkim zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, oder aber er war nur höflich und verschloss seine Augen vor den Gebrechen seines alternden Freundes. Geduldig, ohne auch nur mit einem Wort zur Eile zu mahnen, wartete er, bis Maffeo endlich auf dem Pferderücken saß, um ihm den Adler zurückzugeben. Dann kümmerte sich Dschinkim um die rätselhafte Fremde. Mit Niccolos Hilfe hob er sie zu sich auf das Pferd. Doch bevor sie sich auf den Heimweg machten, trafen sich ihre Blicke. Und Maffeo erkannte im traurigen Ausdruck seiner grünen Augen, dass Dschinkim nichts verborgen geblieben war. So sehr es sie beide auch schmerzen mochte, dies war ihre letzte gemeinsame Jagd.
    Maffeo stand am Fenster im Gästegemach seiner Wohnräume und sah nachdenklich nach draußen. Das Licht der aufgehenden Sonne spiegelte sich in den vergoldeten Kuppeln des Kaiserpalastes. Er liebte den Anblick der Kuppeln, Zinnen und Türme. Von seinen Räumen aus konnte er fast den gesamten Palast überblicken. Doch noch schöner, noch erhabener war der Anblick, wenn man sich zu dieser Stunde von Osten her der Stadt näherte. Dann erstrahlte Shangdou in einem fast überirdischen Glanz, und der weiße Marmor bekam eine Transparenz, als wäre die kaiserliche Stadt im Gegensatz zu anderen Städten nicht aus Stein errichtet worden. Aus diesem Grund nannten die chinesischen Untertanen Shangdou auch den »Kristallpalast« oder »die Stadt aus Glas«. Einen treffenderen Namen hätte man wohl kaum finden können.
    Hinter ihm, im Halbdunkel des frühen Morgens, lag auf dem schmalen Gästebett die Fremde. Sie war halb erfroren. Diener hatten sie in heißem Wasser gebadet und dann in mehrere Decken eingehüllt, um sie wieder aufzuwärmen. Jetzt standen zwei Becken mit glühender Kohle neben dem Bett, und es war so warm im Zimmer, dass Maffeo der Schweiß auf der Stirn stand. Doch die Frau lag immer noch genauso da, wie Dschinkim, Niccolo und er sie in der Steppe gefunden hatten. Seit gestern hatte sie sich nicht ein einziges Mal gerührt. Wer war sie? Woher kam sie? Wie war sie in die Steppe gelangt? Wer oder was hatte sie dort zurückgelassen? Und warum war sie zurückgelassen worden? All diese Fragen waren immer noch nicht beantwortet.
    Behutsam drehte Maffeo den Stein der Fremden in seiner Hand und hielt ihn gegen das Licht. Der Saphir bündelte die Strahlen der Morgensonne und warf tanzende blaue Lichter in den Raum. Wie schön er war! Bis zum gestrigen Tag hatte Maffeo geglaubt, diese Schönheit sei einzigartig. Doch an dem Stein gab es etwas, einen so geringen Unterschied, dass ihn nur das geübte Auge wahrnehmen konnte – die Bruchkante verlief anders und war nicht genau an der Stelle, an der sie eigentlich sein sollte. Hatte die alte, schon fast vergessene Legende doch recht? Gab es wirklich mehr als einen Saphir? Es war schwer vorstellbar. Andererseits war der Stein selbst so voller Rätsel und Geheimnisse, dass ein weiteres kaum auffiel.
    Es klopfte leise an der Tür. Noch bevor Maffeo die Erlaubnis erteilen konnte, huschte ein Diener lautlos herein, die Hände sittsam in den weiten Ärmeln seines weißen Gewandes verborgen.
    »Herr«, sagte er und verneigte sich so tief, dass Maffeo den langen geflochtenen Zopf auf dem Rücken des Dieners sehen konnte. Er lag dort wie eine träge schwarze Schlange. »Der edle Dschinkim, Bruder und Thronfolger unseres großen und gütigen Herrschers Khubilai Khan, bittet Euch um ein Gespräch.«
    »Führe ihn herein«, erwiderte Maffeo.
    Niccolo hatte sich natürlich gleich nach ihrer Rückkehr wieder seinen Geschäften gewidmet und sich seither nicht mehr nach dem Schicksal der rätselhaften Fremden erkundigt. Vermutlich hatte er sie mittlerweile sogar über seinen Büchern, Zahlen und Maßen vergessen. So war er eben, ein Kaufmann mit Leib und Seele. Doch mit Dschinkims Besuch hatte Maffeo gerechnet.
    Mit den langen, schnellen Schritten eines Kriegers betrat der Mongole den Raum. Wie immer war er allein. Das nutzlose, unablässig schnatternde Gefolge von mindestens einem halben Dutzend Beratern, Dienern und Soldaten, das die anderen Mitglieder des kaiserlichen Hofs auf Schritt und Tritt begleitete, lehnte er ab. Nur bei offiziellen Anlässen ließ sich diese Sitte auch von Dschinkim nicht umgehen. Dann taten Maffeo die Männer leid, die mit ihm kaum Schritt halten konnten. Sie liefen hinter dem Thronfolger her wie

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